Unser neues, kofinanziertes Projekt mit CONTEXTO

VERBESSERUNG DER NAHRUNGSSICHERHEIT UND DER ERNÄHRUNG IN UND UM POTOSI

Seit einigen Jahren ist die bolivianische NGO CONTEXTO einer unserer Partner in Bolivien. Mehrere Projekte wurden bereits mit ihnen durchgeführt und konnten einiges bei den jeweiligen Gemeinschaften um La Paz, El Alto und Potosi bewegen. Bei unseren Evaluierungsbesuchen haben uns immer wieder die Lebensumstände und täglichen Unwegsamkeiten der ärmeren Bevölkerung – mit der CONTEXTO seit Jahren « auf Augenhöhe » arbeitet – sehr bewegt und aufgewühlt. Besonders in El Alto und auch in Potosi ist die Armut und die ungerechte Verteilung der Möglichkeiten für die am Rande lebenden Menschen mit den Händen greifbar. Im Departement Potosi gibt es die größte Diskrepanz zwischen den Löhnen; die Armutsrate liegt um die 60% (trotz Verbesserungen in den letzten Jahren, teilweise zunichte gemacht durch die COVID-Pandemie). Schlechte Ausbildung, schlechte Ernährung und schlechte Gesundheitsversorgung sind an der Tagesordnung. Besonders Kinder und Frauen (oft Alleinernährer ihrer Kleinen) sind betroffen. CONTEXTO hat (durch ihre jahrelang bewährte Methodologie – siehe hierzu unseren Artikel im INFO 2-2016) in all der Zeit sehr vielen Menschen aktiv und integral geholfen.
Um weiter in Bolivien dort aktiv zu sein, wo es am dringendsten erscheint, jedoch eher « gezielt » vorzugehen, hat Niños de la Tierra zusammen mit CONTEXTO dieses neue Projekt erarbeitet und konnte dafür auch unser Luxemburger Kooperationsministerium von einer Kofinanzierung überzeugen. Das Projekt wird sodann in Alto Potosi, in Karachipampa und Palcamayu umgesetzt werden. Dies sind urbane bzw. periurbane Gemeinschaften in einem extrem armen Umfeld, gekennzeichnet von einer kritischen Klima- und Agrarsituation (Trockenheit, Temperaturschwankungen, in Höhen von 4.200 bis 4.400 Meter, Unfruchtbarkeit der Böden…). Die Nahrungssicherheit dieser zugezogenen Kleinbauern ist schlecht und die Ernährung monoton und ungesund. Wasser ist knapp, gesunde Lebensmittel sind teuer oder nicht im Angebot, der Klimawandel und die Pandemie allgegenwertig. Um hier etwas « Nachhaltiges » zu schaffen, haben wir mit unserer Partner-NGO auf die Verbesserung der Ernährung und der Lebensmittelproduktion in diesen Gemeinschaften gesetzt.

Das neue Projekt läuft über drei Jahre und soll 100 Familien (zur Lebensmittelproduktion), 100 Frauen (welche zu «Leader» ausgebildet werden), 120 Kindern (deren Ernährung und Gesundheit verbessert wird) sowie 15 lokalen Autoritäten (zur Nachhaltigkeit des Ganzen) zu Gute kommen.

Es besteht aus 2 Entitäten:
1. Stärkung der Nahrungssicherheit und der Finanzsituation der Gemeinschaften,
durch Erhöhung der Erträge im biologischem Obst- und Gemüseanbau

Dies geschieht durch Verbesserung der Produktion und Produktivität: Der Obst- und Gemüseanbau findet in kleinen, neu errichteten Gewächshäusern statt und kann so den Ertrag wesentlich erhöhen. Die Frauen werden ausgebildet und begleitet beim Anbau gesunder Pflanzen und Früchte zum Eigenbedarf und zum Weiterverkauf. Außerdem wird es eine Ausbildung in der Vermarktung der Überschüsse geben, ebenso wie eine Beteiligung an Märkten, Verkaufsmessen und Zusammenkünften von Produzenten auf departementaler Ebene. Des weiteren soll eine interinstitutionnelle Koordinierung mit staatlichen und offiziellen lokalen Stellen sowie mit Kleinunternehmen und anderen NGOs stattfinden, zwecks Nachhaltigkeit des Geschafften.

2. Verbesserung der Ernährung in den Gemeinschaften,
durch Erhöhung des Konsums gesunder Nahrungsmittel (Obst, Gemüse aus biologischem Anbau)

Dies geschieht einerseits durch eine globale Betreuung der Kinder des pädagogischen Kinderhorts in Alto Potosi (der Bau wurde im vorigen Projekt von Niños de la Tierra mit CONTEXTO finanziert): Gesunde und abwechslungsreiche Ernährung, Gesundheitscheck, Lernhilfe etc. Daneben werden sowohl die Kinder als auch – im Besonderen – die Frauen der Gemeinschaften zum Thema „gesunde Ernährung für die ganze Familie“ geschult. Dies geschieht sowohl in Kursen als auch in praktischen Lehrgängen und internen Märkten mit gesundem Essen.

Wir sind überzeugt, mit diesem Projekt in kleinem Rahmen, jedoch nah bei den Leuten und ihren dringlichsten Problemen, etwas zur Verbesserung der Lage in diesen 3 Gemeinschaften beitragen zu können. Der Zielgruppe des Projekts werden dadurch Mittel und Möglichkeiten zuteil, welche ihnen erlauben sollten, ihre Situation « selbst in die Hand zu nehmen und nachhaltig zu verbessern ». Wir sollten dabei nur Begleiter auf einem Teil ihres Weges sein.

Das gesamte Projekt hat ein Kostenvolumen von 249.316,05 Euro, wovon Niños de la Tierra 99.726,42 Euro beisteuern wird. Wir bleiben also weiterhin auf jede Hilfe angewiesen, um unser angegangenes Engagement in Potosi auch erfolgreich weiterführen zu können.

Vielen Dank.

Jean-Paul Hammerel

 

PATENSCHAFTEN FÜR DIE ESCUELA POPULAR DE ARTES

Musik- & Kunstschule in Achupallas, einem Armenviertel in Viña del Mar/Chile

„Nichts übersteigt so sicher und selbstverständlich die rein materielle Basis unserer Existenz wie Musik. Selbst in äußerster Verzweiflung kann Musik uns über den Moment hinausheben – nicht gleich zu Gott, aber wenigstens weg von einer simplen Sicht der Dinge, die nur Messbares, Wiegbares, Betastbares kennt, die also nur Physik und Chemie, Verwesung und Würmer zu sehen vermag. Die Sphäre der Musik ergreift die Menschen aller Zeiten und aller Länder, und sie erhebt sie über sich selbst hinaus – ins Land der großen Illusion?“ Manfred Lütz (2009)

Diese starken Worte sollen noch einmal den universellen Wert von Musik hervorheben und damit die Sinnhaftigkeit der Finanzierung einer Musikschule gerade in einem Armenviertel. Ausbildungen in Musik und Kultur im Allgemeinen sind durchaus nachhaltige Wege der Entwicklungsarbeit.

Auf individueller Ebene ist eine musikalische Ausbildung ein Kapital, aus dem man ein Leben lang schöpfen kann. Dabei sind eine Reihe positiver Nebeneffekte zu nennen u.a. Aneignung von Disziplin, Anregung von Kreativität, Entwicklung des Gehirns, soziale Beziehungen nicht nur zwischen Gleichaltrigen, sondern über alle Altersklassen hinaus.

Niños de la Tierra begleitete das deutsch-chilenische Ehepaar Michaela und Eduardo Cisternas-Weyand schon vor 1998, dem Gründungsjahr der Schule. Eduardo, Musiker und in Achupallas aufgewachsen, hat Niños de la Tierra damals vom Projekt überzeugt. Michaela initiierte als Sozialarbeiterin die soziale Ausrichtung der Schule, die mit ihren vielfältigen kulturellen Aktivitäten in- und außerhalb des Stadtteils ein wichtiger Motor für die Integration der Kinder und Jugendlichen in die chilenische Gesellschaft ist.

Leider ist nach mehr als 20 Jahren die Finanzierung der Schule noch immer nicht gesichert. Dies hängt mit dem chilenischen System der Vergabe von Subventionen und Unterstützungen zusammen. Jedes Jahr müssen alle Akteure in der Kulturszene erneut die Gelder beantragen, mit denen sie im Vorjahr ihre Aktivitäten finanzieren konnten. Und auch wenn ein Jahr erfolgreich abgeschlossen wurde und alles beim Alten bleibt, wird doch wieder staatlicherseits beurteilt und verglichen mit stets wechselndem Personal und somit wechselnden Meinungen. Für das Jahr 2022 muss die EPA mit weiteren finanziellen Einbußen rechnen und ist wieder einmal vom Staat allein gelassen. Um die negativen Folgen für die Musikschüler aufzufangen, versuchen wir (die EPA und Niños de la Tierra) verstärkt die Praxis der Patenschaften zu entwickeln.

Vorstellung EPA  Januar 2021

Wir möchten Sie, liebe SpenderInnen, dazu aufrufen, mit monatlich 30€ eine Patenschaft für eine(n) SchülerIn während mindestens einem Jahr zu übernehmen.
Mit einer solchen monatlichen Überweisung auf unsere Bankverbindung CCPLLULL LU751111089773480000 mit dem Vermerk „Patenschaft EPA“ können Sie ganz gezielt und nachvollziehbar helfen. Durch regelmäßige Patenschaftsberichte bleiben Sie informiert und können sich ein Bild über die Fortschritte der Schüler machen. Wenn Sie es wünschen können Sie auch eine Patenschaft für ein bestimmtes Kind übernehmen.

Folgender Videoclip gibt einen guten Einblick in die Arbeit der Schule:
Lebenschancen für Kinder im Armenviertel Villa Independencia in Chile – YouTube


Die Qualität des Unterrichts ist sehr gut. Gerne können Sie mit folgendem Link in das Konzert hineinhören, das eine Gruppe EPA-Schüler, zu Besuch in Deutschland und Luxemburg, 2017 im Echternacher Trifolion spielten:

https://www.youtube.com/watch?v=qOo2gFcPHd8


Vielen herzlichen Dank!

Marco Hoffmann

Aktuelles von unserem MAPUCHE-Projekt in Temuco/Chile

ORGANISATORISCHE STÄRKUNG UND VERBESSERUNG DER LEBENSBEDINGUNGEN INDIGENER GEMEINSCHAFTEN IN DER GEMEINDE LAUTARO

1.- COVID 19

Das Land und die Region Araucanía haben einen erheblichen Rückschlag bei der Bekämpfung der Epidemie erlitten. Die Ansteckungen sind beinahe so hoch wie vor 6 Monaten und zwingen die Regierung, Entscheidungen zu treffen, die wiederum Einschränkungen bedeuten werden.

Ein hoher Prozentsatz der Gemeinden des Landes wird ab Donnerstag, dem 14. Januar, unter Quarantäne gestellt, einschließlich Temuco. Etwa 8 Millionen Einwohner werden wieder in ihren Häusern isoliert bleiben. In Chile gab es bereits zwei neue Coronavirus-Stämme, die durch die Illusion einer schnellen Impfung verdeckt wurden. Es wird mindestens 6 Monate dauern, bis der erforderliche Prozentsatz der Bevölkerung geimpft ist, um gute Ergebnisse zu erwarten.

In Temuco mussten – aufgrund mangelnder finanzieller öffentlicher Unterstützung – die Minderbemittelten, trotz angedrohter hoher Haftstrafen, auf der Suche nach wirtschaftlichem Lebensunterhalt auf den Straßen mit ihrem Kleinhandel weitermachen, was zu einer hohen Viruszirkulation führt. Hygienekontrollen sind sehr selten und haben es nicht geschafft, die Ausbreitung von Infektionen zu stoppen.

2.- Situation in Temucuicui

In der Region La Araucanía, insbesondere in der Gemeinde Ercilla, die als Zentrum des Konflikts „Der chilenische Staat gegen die Mapuche-Organisationen“ bezeichnet wird, ist eine Situation eingetreten, die im ganzen Land hohe Wellen geschlagen hat.

In den letzten Tagen überfiel ein Kontingent der chilenischen Ermittlungspolizei, bestehend aus 850 Mann, die von Fahrzeugen, Hubschraubern, Drohnen und Kriegswaffen unterstützt wurden, die indigene Gemeinschaft von Temucuicui. Diese ungewöhnliche Operation mit einem solchen Aufgebot wurde offiziell gerechtfertigt, da sie einen Einsatz gegen den Drogenhandel darstelle.

In der Tat sollen 1.000 Marihuana-Pflanzen gefunden worden sein. Seltsam ist nur, dass die Aktion zur gleichen Zeit durchgeführt wurde, als ein Gericht in Angol die Verurteilung der Mörder von Camilo Catrillanca, einem Mitglied der Temucuicui-Gemeinschaft, verkünden sollte.

Eine weitere merkwürdige Tatsache ist, dass in Chile niemals ein Kontingent dieser Größe zur Kontrolle des Drogenhandels eingesetzt wurde, auch nicht in städtische Sektoren wie den Armenvierteln von Santiago, die als Verteilungszentren eingestuft sind.

Bei dieser ungewöhnlichen Operation starb ein Polizist, der von Kriegsgeschossen getroffen wurde. Der Ursprung der Schüsse, die seinen Tod verursachten, ist jedoch noch nicht bekannt, aber es wird gesagt, dass sie aus der Gemeinde stammen. Die Frage nach der Gültigkeit der offiziellen Informationen ist weiterhin offen, da die Razzia nur die Existenz dieser Marihuana-Pflanzen enthüllte und nichts anderes, was auf die Existenz einer „hohen Feuerkraft“ hinweisen würde, wie die Behörden angegeben haben.

Bei dieser Polizeiaktion wurden Mutter, Frau und Tochter (7 Jahre alt) von Camilo Catrillanca verhaftet, weil sie sich der Razzia widersetzt hatten, d.h. für drei Mapuche-Generationen dieselbe Gewalt.

Zusammenfassend sind wir der Meinung, dass die exzessive Operation das Ziel hatte, die Mapuche-Gemeinschaften erneut einzuschüchtern und zu kriminalisieren.

(mehr zum Thema

3.- Das Projekt

In Bezug auf die Durchführung unseres Projekts können wir darauf hinweisen, dass die Kommunikation mit den Nutznießern des Projektes aufrechterhalten werden konnte. Die Quarantäne, von der die Gemeinde Lautaro noch immer betroffen ist, hat jedoch die Möglichkeit weiterer Fortschritte, insbesondere der geplanten Schulungstreffen, eingeschränkt.

Andrerseits kann das kleine Guthaben, das in den Rotations-Fond investiert werden soll, nicht verwendet werden, da aktuell in der Region schwerwiegende Mängel in Bezug auf den Nachschub von vielen Produkten gibt, die normalerweise von unseren Nutzern gekauft werden.

Sobald sich die beschriebene Situation normalisiert hat, werden wir die Ausführung des Fonds abschließen, sofern die hygienischen Bedingungen das Öffnen der Läden erlaubt.

Andererseits schätzen wir, dass die Möglichkeiten, die regelmäßigen Treffen abzuhalten und die für einen Zeitraum von mehr als einem Monat geplanten Support-Workshops zu entwickeln, erneut eingeschränkt werden.

Roberto Mansilla, Direktor von FUNDECAM, Temuco

Januar 2021

COVID-19 Hilfe von CONTEXTO

2. Phase

Das Ziel der zweiten Phase der COVID-19-Hilfe bestand darin, bedürftige Familien in El Alto, La Paz und Potosí mit Hygieneartikeln, Grundmedikamenten und Nahrungsmitteln zu versorgen, um so COVID-19 zu verhindern und die Lebensbedingungen dieser Familien zu verbessern.

In El Alto erhielten 22 der bedürftigsten Familien im Distrikt 12 Milch, Hafer, Quinoa, Sardinen, Getreide, Reis, Maisstärke, Gemüse und andere. Weitere 30 Familien wurden mit Körben mit diversen Lebensmitteln versorgt.

Im Hogar Arca Suiza in Palca leben seit Juni 2020, provisorisch für ein Jahr, 30 Familien mit niedrigem Einkommen, da aufgrund der ständigen Regenfälle ihre Häuser eingestürzt waren. Sie wurden ebenfalls mit einer Auswahl von Lebensmitteln und Hygieneartikeln unterstützt.

Ebenso wurden 22 Familien in Potosi mit Lebensmitteln, Hygieneartikeln und Medikamenten versorgt.

Als gemeinnützige Organisation ist CONTEXTO für die zweite COVID-19-Hilfe sehr dankbar, da diese Maßnahmen dazu beigetragen haben, die Lebensbedingungen von Familien in einer Situation sozialer Ausgrenzung zu verbessern. Diese Familien haben ein Einkommen von weniger als 1000 Bolivianos (120 Euro) pro Monat, die meisten Familien haben 2 bis 6 Kinder.

Die Hilfe trug auch zur Unterstützung der pädagogischen Hilfskräfte in den Institutionen von CONTEXTO bei.

Nachfolgend eine Fotoreportage zu der Aktion:

Rundumbetreuung der Kinder in den Tagesstätten

Auslieferung von Lebensmitteln und Medikamenten

Ausbildung in der Bäckerei und Einrichtung des Mikrounternehmens

Begegnung mit den Eltern

Weihnachtsfeier im Centro Infantil San Francisco

Martha Ruiz Flores, diputada supraestatal de Bolivia

Martha Ruiz von unserer Partnerorganisation CONTEXTO in Potosi hat an den rezenten Wahlen in Bolivien teilgenommen und wurde als “diputada supraestatal” gewählt. Diese 8 – 9 „überstaatlichen Parlamentarier“ vertreten die Interessen Boliviens in allen ausserbolivianischen Parlamenten und Gremien im südamerikanischen Subkontinent. Zusätzlich ist Martha auch noch die Koordinatorin dieser Deputierten.

Niños de la Tierra gratuliert von ganzem Herzen.

Martha, die wir zuletzt auf unserer Projektreise 2018 begegneten, ist uns noch in bester Erinnerung. Jean-Paul Hammerel, unser Projektleiter, schrieb ihr vor Kurzem:

Wir hoffen, dass du in deiner neuen Rolle sehr erfolgreich sein wirst. Wir wünschen dir, dass du weiter die sensible Person mit viel gespür für die schwierigen Bedingungen des bolivianischen Volkes bleiben wirst.

Martha antwortete:

Lieber Jean-Paul, ich freue mich sehr und bin dankbar für deine guten Wünsche. Es ist eine Freude, Niños de la Tierra zu kennen, das immer in meinem Herzen und in meinen guten Erinnerungen ist.

Da ich jetzt Stellvertreter des bolivianischen Staates bin, würde sehr gerne weiterhin koordiniert mit euch in dieser neuen Funktion zusammenarbeiten. Es wäre sehr positiv, wenn wir uns bei eurem nächsten Besuch in Bolivien mit euch treffen könnten und das neue Projekt in Potosí fördern würden.

Viele Grüße und eine Umarmung aus der Ferne.

Peru: Kongress setzt Übergangspräsidenten Vizcarra ab

Wegen Korruptionsvorwürfen hat der Kongress mit 105 von 130 Stimmen den parteilosen Übergangspräsidenten Martín Vizcarra am 10.11.2020 abgewählt. Die Abgeordneten werfen ihm „moralische Unfähigkeit“ vor. Er soll in seiner Zeit als Gouverneur Bestechungsgelder von Baufirmen angenommen haben, lautete die Begründung. Vizcarra, der als Vizepräsident das Amt im März 2018 nach dem Rücktritt von Präsident Pedro Pablo Kuczynski übernommen hatte, hatte dies stets bestritten und dem Kongress Machtgier unterstellt. In allen grösseren Städten Perus gab es daraufhin spontane Straßenproteste. In der  Bevölkerung genießt der Präsident wegen seiner Reformen für mehr Transparenz in Politik und Justiz große Zustimmung.

Hierzu ein Kommentar von Ana María Galiano Gutiérrez,

Direktorin der Fundación Cristo Vive Perú, Cusco

 

Liebe Freunde der Fundación Cristo Vive Perú

Zuallererst jedem von euch liebe Partner aus Luxemburg unsere besten Grüße!

Mit tiefer Trauer, Hilflosigkeit und Empörung teilen wir euch mit, dass der peruanische Kongress an diesem Dienstag, dem 10. November, zur Überraschung des gesamten Volkes den Präsidenten von Peru, Martín Vizcarra, wegen angeblicher Korruption abgesetzt hat. Leider handelt es sich hier um eine total  ILLEGALE und VERFASSUNGSWIDRIGE Handlung seitens der Kongressabgeordneten, gegen die GANZ PERU auferstanden ist und seit vier Tagen auf den Straßen ist, um gegen diesen Missbrauch durch verantwortungslose Politiker zu protestieren, die nur ihre eigenen Interessen sehen, unter Missachtung der Interessen und ernsthaften Bedürfnissen der allgemeinen Bevölkerung. Das Machtstreben dieser verantwortungslosen Politiker hat diesen COUP D’ETAT verursacht. Daher ist unsere Demokratie in ernster Gefahr. Es sieht so aus, als ob wir aufgrund der Art und Weise, wie dieser selbsternannte Präsident Manuel Merino und seine Kongressabgeordneten handeln, vor einer möglichen Diktatur stehen. Jetzt beginnen sie schnell, Gesetze zu verabschieden, um ihre Parteien zu begünstigen, was die Bürgerbeteiligung ernsthaft einschränkt. Gestern Nacht haben sie ein Gesetz verabschiedet, das soziale Proteste massiv einschränkt und den Ordnungskräften den Auftrag erteilt, diejenigen zu erschießen, die an sozialen Mobilisierungen teilnehmen.

Gott sei Dank geht es allen Mitarbeitern von FCV PERÚ gut. Aber wir sind sehr besorgt über die SOZIALE INSTABILITÄT, der wir uns derzeit gegenübersehen. Und diese Situation wirkt sich emotional sowohl auf die persönliche und familiäre Stimmung wie auch auf das Arbeitsklima aus, neben dem ständigen Risiko, dem wir durch Covid19 ausgesetzt sind.

Im Moment sehen wir einer sehr instabilen und ungewissen Zukunft entgegen. Es ist eine sehr besorgniserregende Situation für uns alle und in diesen schwierigen Zeiten fühlen wir uns sehr verletzlich. Deshalb schließen wir uns aus moralischer und sozialer Verantwortung den Mobilisierungen an, um unsere Uneinigkeit mit den Machthabern auszudrücken und gegen die Verletzung unserer Menschenrechte zu protestieren. Die Gier und der Durst nach Macht dieser schlechten Politiker ist ein Schlag ins Gesicht für diejenigen, die sich für eine bessere Welt mit würdigen Optionen, für Gerechtigkeit und Chance für alle einsetzen.

Hoffentlich werden sich die kirchlichen Behörden bald zu Wort melden und uns dabei unterstützen, Frieden und Demokratie wiederherzustellen.

Ich verbleibe mit viel Traurigkeit, dem Gefühl der Empörung, des Ausgeliefertseins aber auch mit der Hoffnung auf einen guten Ausgang dieses Konfliktes, ohne Blutvergießen. Eure – wenn auch nur moralische – Unterstützung, liebe Freunde aus Europa, ist uns dabei ein großer Trost.

Ana María Galiano Gutiérrez

Direktorin der Fundación Cristo Vive Perú

Einige Filmbeiträge auf youtube:

Plurinationales Bolivien, die Rückkehr zur Demokratie in 363 Tagen

Ein Kommentar zum Ausgang der Präsidentenwahl in Bolivien

von Rodrigo Aramayo Mercado und dem ANAWIN-Team

Cochabamba 22.10.2020

traduction française

texto original en español

363 Tage sind vergangen seit dem 20. Oktober 2019, dem Datum, an dem die Falschmeldung veröffentlicht wurde, um das Wahlergebnis aufzuheben, das Evo Morales zum vierten Mal zum Präsidenten Boliviens ernannt hätte. In den folgenden 21 Tagen (zwischen Oktober und November 2019) wurde eine tiefgreifende soziologische Konstruktion neu entfacht, die ein vermeintliches Vorrangrecht des weißen und oligarchischen kreolischen Staatsbürgers (des „Menschen“) als alleinigen Eigentümer des Schicksals des Anden-Amazonas-Landes begründet, zum Nachteil des einheimischen bolivianischen Bauern (der als „Barbar“ gilt), der in den letzten 14 Jahren versuchte, eine Charta der Staatsbürgerschaft aufzustellen, und die Kühnheit hatte, sein Recht einzufordern, ein Protagonist beim Aufbau des Staates zu sein.

Diese soziologische Konstruktion, die die nationale Oligarchie (hauptsächlich aus der Provinz Santa Cruz) wiederbelebte, ist seit der Gründung der Republik präsent und ihre Überwindung ist eine der Hauptaufgaben zum Aufbau einer integrativen nationalen Einheit des Andenlandes. Wie René Zabaleta Mercado (bolivianischer Soziologe, Philosoph und Politiker 1937 – 1984) bemerkt, hält der bolivianische Oligarch einen Überlegenheitseid aufrecht, den er niemals verhandeln oder aufgeben wird: „Er kann alles verhandeln, außer den Überlegenheitseid über den Indio. Er wird niemals zulassen, dass der Indio sich als gleichwertig betrachtet. “ Diese Auffassung ist nach wie vor das größte Problem im plurinationalen Staat Bolivien. Das Gefühl derjenigen, die sich in einem Herrschaftsverhältnis überlegen und unterlegen fühlen, zeigte sich auf grobe und krasse Weise in der Regierungszeit der selbsternannten Präsidentin Jeanine Añez: Als erste Maßnahme ihrer Regierung unterzeichnete sie das Dekret 4078, mit dem die Streitkräfte beauftragt wurden, gegen die Bevölkerung auf den Straßen, die bereit war, das von der Bewegung zum Sozialismus (MAS-IPSP) unterstützte Projekt der kulturdemokratischen Transformation zu verteidigen, mit der Erlaubnis zum Töten vorzugehen. Diese Maßnahme führte zu den Massakern von Sacaba/Cochabamba (am 15. November) und Senkata/La Paz (am 19. November) mit einer Bilanz von 37 Toten. Morde, welche die Übergangsregierung als „Prozess zur Befriedung des Landes“ bezeichnete.

Nach den annullierten Wahlen und dem Staatsstreich unter Beteiligung der Polizei und der Streitkräfte im Jahr 2019, kehrten die Bolivianer an diesem Sonntag, dem 18. Oktober 2020, nach fast 14 Jahren Regierungszeit des früheren indigenen Präsidenten Evo Morales (der jetzt aus dem politischen Leben Boliviens verbannt ist) und einer De-facto-Übergangsregierung, die als die katastrophalste in der nationalen Geschichte gilt, zu den Urnen zurück, um ihren Präsidenten zu wählen.

Nach Auszählung von 94% der Stimmen, trotz der unbewiesenen Darstellung von Wahlbetrug und Korruptionsvorwürfen gegen sie und ihre Führer wird deutlich, dass die MAS-IPSP mit mehr als 54,50% der Wahlpräferenzen weiterhin die repräsentativste Partei in Bolivien ist, wobei dieses Ergebnis jede Möglichkeit einer zweiten Runde ausschließt.

Ein mehr als verdienstvolles Ergebnis angesichts des Kontextes, in dem die Volksabstimmung abgehalten wurde. Dies ist nicht zuletzt der Verdienst von Luis Arce Catacora, Präsidentschaftskandidat und David Choquehuanca Céspedes Kandidat für die Vizepräsidentschaft. Ersterer hatte das Wirtschaftsministerium in allen Regierungen von Evo Morales inne, der zweite war Kanzler für denselben Zeitraum.

Luis Arce, Carlos Mesa, Luis Camacho

Bei der Abstimmung belegten die Hauptakteure des Staatsstreichs 2019, der frühere Präsident Carlos Mesa den zweiten Platz mit 29,06% und der ultrarechte Kandidat aus Santa Cruz, Luis Camacho, den 3. Platz mit 14,36%. Die Kandidaten teilten sich die Stimmen des rechten Flügels und der Oligarchie, aber die Ergebnisse machten deutlich, dass sie selbst dann keinen Sieg hätten erzielen können, wenn sie zusammen gegangen wären.

Abgesehen von der Abstimmung, die in erster Linie eine politische Partei unterstützt, hat die Wahlpräferenz, die eindeutig aus der Überzeugung der Bürger hervorgeht, eine offensichtliche Ausrichtung der Unterstützung für einen Veränderungsprozess und eine Periode wirtschaftlicher Stabilität, die auf der Unterstützung der Mittelschicht, der indigenen Völker, der Organisationen und sozialen Bewegungen basiert, welche die „Suma Qamaña“, Good Living, ein neues wirtschaftliches und soziales Paradigma, die Formulierung eines kommunalen Wirtschaftsprojekts, promoviert.

Trotz der Kraft der Wahlergebnisse wird sich der Konflikt, der nach der Unterbrechung des Prozesses der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Transformation des Plurinationalen Staates Bolivien entsteht, mit den Wahlen nicht ändern. Der Prozess für die Konfiguration der Sitze in der gesetzgebenden Versammlung und die soziale und regionale Polarisierung sind schwierig und langwierig. Die Oppositionsparteien, die Oligarchie und die paramilitären Gruppierungen („Cruceño-Jugend“, „Cochala-Widerstand“, „Tempña- Widerstand“ unter anderen), in der faschistisch-rassistischen Logik organisiert, werden weiterhin nach Machtübernahme oder politischer Destabilisierung streben, da sie von transnationalen wirtschaftspolitischen Mächten, Landbesitzern und Bürgerkomitees unterstützt werden.

Straßenblokade in Santa Cruz von wütenden MAS-Gegnern nach Bekannwerden des Wahlresultats

Ohne Zweidrittelmehrheit in der Plurinationalen Legislativversammlung, die sich aus Abgeordneten- und Senatorenkammer zusammensetzt, wird die neue Regierung es nicht leicht haben, nach Räumen für die Wiederherstellung der Einheit des Landes zu suchen.

Aus zivilgesellschaftlicher Sicht muss diese Wiederherstellung der nationalen Einheit auch eine dringende Aufgabe für politische Führer, Nichtregierungsorganisationen und soziale Aktivisten im Allgemeinen sein. Die integrative und partizipative Demokratie soll auf der Grundlage der Anerkennung der Identität von Person, Kultur und Bevölkerungszugehörigkeit gestärkt werden und authentischer Respekt vor Unterschieden, Stimulierung der passiven sozialen Interaktion durch soziale Eingliederung und politische Führung der Bevölkerung gesichert werden. Dies wird gleichzeitig zur Verbesserung der Lebensbedingungen und volkswirtschaftlichem Wohlstand führen.

 

Chile verfasst sich neu

 

Überwältigende Mehrheit votiert für die Überwindung der Pinochet-Verfassung

Von Martin Ling, Neues Deutschland 26.10.2020

»Es lebe Chile, verdammte Scheiße.« Mit diesen Worten beschloss der Enkel von Salvador Allende seine Botschaft im Kurznachrichtendienst Twitter zum Ergebnis des Referendums in Chile. Pablo Sepúlveda Allende ist wie sein Großvater Arzt, lebt und arbeitet in der venezolanischen Hauptstadt Caracas. Vorausgeschickt hatte er seine Einschätzung: »Für mich hat dieser überwältigende Triumph eine symbolische Bedeutung, denn heute hat das chilenische Volk das katastrophale Vermächtnis Pinochets auf den Misthaufen der Geschichte geschickt.«

Nicht nur bei Allende in Caracas schlugen die Emotionen hoch. Tausende Chilen*innen strömten nach den ersten Ergebnissen auf die Plaza Italia in Santiago, die seit dem Beginn der Protestbewegung am 18. Oktober 2019 in Platz der Würde (Plaza de la dignidad) umgetauft wurde. Auch wenn die Bewertungen von »einer demokratischen Lektion für die Welt« bis zu »ein bittersüßer Sieg, der zu viele Menschenleben gekostet hat« reichten, war man sich doch einig: Die Verfassung von 1980 aus der Pinochet-Diktatur (1973-90) hat endlich ausgedient und gedient hatte sie ja ohnehin nur den oberen Zehntausend.

Das Plebiszit hatte die rechte Regierung von Sebastián Piñera zugestanden, nachdem es seit dem 18. Oktober 2019 monatelang zu Massenprotesten im Land gekommen war, denen erst die Corona-Pandemie die Spitze nahm. Dabei wurden mehr als 30 Menschen getötet und über 200 Menschen verloren ihr Augenlicht durch Hartgummigeschosse der Polizei.

Ausgelöst wurden die Proteste durch eine Erhöhung der Fahrscheinpreise im öffentlichen Nahverkehr um 30 Pesos – umgerechnet drei Cent. »Es geht nicht um 30 Pesos, es geht um 30 Jahre«, lautete einer der auf den Demos gerufenen Slogans. Es geht in Chile in der Tat um die Folgen von 30 Jahren neoliberaler Politik, die nach Ende der Pinochet-Diktatur 1990 nahezu bruchlos fortgesetzt wurde. Strom, Wasser, Bildung, Gesundheits- und Rentensystem wurden unter General Augusto Pinochet privatisiert. Die sozialen Strukturen des demokratischen Sozialismus, aufgebaut unter Salvador Allende, wurden zerschlagen. Daran hat sich bis heute nichts geändert, weil die Verfassung von 1980 jeder größeren Veränderung einen Riegel vorschob.

Das Ergebnis ist eindeutig: Chiles Bevölkerung hat die Verfassung satt. 78,3 Prozent stimmten für eine neue Verfassung, nur 21,7 Prozent wollen an der Verfassung von Pinochet festhalten. Auch die Mindestbeteiligung von 50 Prozent wurde erreicht.

Ursprünglich war das Referendum für April angesetzt, wegen der Coronakrise wurde die Abstimmung jedoch auf Oktober verschoben. Die Chilen*innen mussten auch entscheiden, wer eine mögliche neue Verfassung entwerfen soll: eine gemischte Versammlung, zusammengesetzt aus Abgeordneten und Bürgern, oder eine reine Bürgerversammlung mit 155 Mitgliedern. 79 Prozent sprachen sich für die zweite Variante ohne Politiker*innen aus, was das tiefe Misstrauen gegenüber der politischen Klasse zeigt, die 30 Jahre keine Anstalten gemacht hat, die Verfassung aus der Diktatur infrage zu stellen. Dafür sorgte erst der Druck der Straße. Das Verfassungsgremium soll im April 2021 gewählt werden; über den von ihm erarbeiteten Entwurf soll dann im Jahr 2022 ein erneutes Referendum abgehalten werden.

In der Protestbewegung gibt es aber durchaus Skepsis. Nicht wenige halten den Prozess einer verfassunggebenden Versammlung für eine Falle der Regierung: Reform der Verfassung ja, aber ohne das neoliberale Modell wirklich anzutasten. Piñera hat schon zehn Punkte genannt, die seiner Meinung nach in eine neue Verfassung unbedingt reingehören. Darunter findet sich die Rolle der traditionellen Familie und der privaten Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen. Mit den Forderungen der Protestbewegung lässt sich das nicht vereinbaren: Schluss mit dem privaten Rentensystem, kostenlose Bildung, Gesundheitsversorgung für alle.

 

Ein Kommentar von Schwester Karoline Mayer, Recoleta, Santiago de Chile:

Sicher kam das Ergebnis unseres Plebiszit bei euch in den Nachrichten.

Der 25. Oktober 2020 wird in die Geschichte Chiles eingehen: 78% der Wähler haben sich für eine neue Verfassung entschieden, die ohne die Beteiligung von Abgeordneten („Parlamentarios“) von einer verfassungsgebenden Versammlung geschrieben wird.

Von den insgesamt 436 Kommunen Chiles haben 431 mit grosser Mehrheit für eine neue Verfassung und nur 5 Kommunen mehrheitlich für die Pinochet-Verfassung gestimmt: davon 3 Kommunen  der Reichenviertel Santiagos, was mich sehr traurig macht, weil sie damit die enorme soziale Spaltung in unserem Land vor aller Augen gezeigt haben, weit ab von sozialer Gerechtigkeit und dem Willen zur Überwindung unserer Klassengesellschaft mit all ihren Privilegien.

Dennoch ist die Freude des Volkes unbeschreiblich. Viele Pobladores in unserer Siedlung hoffen, – auch wenn sie selbst vielleicht wenig davon abbekommen werden – dass ihre Kinder und Enkel ein würdigeres Leben haben werden.