Die Auswirkungen der Corona-Krise in Südamerika

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Wir haben in den ersten Monaten der Pandemie unsere Partner in Bolivien, Chile und Peru gefragt, wie sich die Gesundheitskrise in ihrem Land entwickelt und welche Auswirkungen sie auf das Alltagsleben hat. Hier nun, stellvertredend für alle, 3 dieser Berichte:

Situation in Cochabamba / Bolivien

von Rodrigo Aramayo Mercado, ANAWIN                                                               05.05.2020

Das Sozial- und Gesundheitssystem in Bolivien ist nicht in der Lage, sich mit der Intensität der COVID-19-Krise auseinanderzusetzen. Es verfügt weder über eine Strategie noch über Humanressourcen oder eine angemessene Infrastruktur.

Aus diesem Grund hat die Regierung eine nationale Quarantäne verhängt, die die wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und sozialen Aktivitäten des Landes fast vollständig lahmgelegt hat.

Die Maßnahmen der derzeitigen Übergangsregierung zielen jedoch nicht nur auf den Schutz der öffentlichen Gesundheit ab, sondern sind auch ein Instrument der politischen Zensur. Es ist in der Tat eine Verletzung des Rechts auf freie Meinungsäußerung während eines von der globalen Pandemie blockierten Wahlprozesses.

Offiziell gab es Anfang Mai nur 1.802 bestätigte Infizierte von COVID-19 in Bolivien mit insgesamt 11.501.900 Einwohnern. Da nur 117 Tests pro Tag durchgeführt werden, wird diese Zahl, die von der Regierung als Eindämmungsmodell propagiert wird, von Experten ernsthaft in Frage gestellt, die schätzen, dass die Zahl der Betroffenen viel höher ist.

Angesichts der durch die Quarantäne auferlegten Beschränkungen organisierten sich die indigenen Gemeinschaften und griffen auf den Tauschhandel mit Lebensmitteln zurück, eine alte vorspanische Praxis. Dieser Geist des Zusammenhalts sowie die Gewohnheit der autarken Produktion ermöglichten es den Gemeinden, die Probleme der Nahrungsmittelversorgung mehr oder weniger zu lösen, trotz der unzureichenden finanziellen Hilfe der Regierung, die 70 USD pro Familie nicht übersteigt.

Es sind die Migrantengemeinschaften in den Ballungsräumen, Zonen mit vorwiegend armen Familien, die am stärksten unter den Folgen der Quarantäne leiden. Diese Menschen können nicht mehr das Geld verdienen, das sie für ihren täglichen Lebensunterhalt benötigen. In Gemeinden wie Korihuma, einem Stadtteil am Rande der Gemeinde Sacaba, arbeitet etwa 65% der aktiven Bevölkerung zwischen 18 und 60 Jahren in Haushalten, beim Bau oder betreiben Strassenverkauf oder bekleiden anderer informelle Arbeitsplätze. Fast alle mussten ihre Aktivitäten während der Quarantäne einstellen. Zu Hause zu bleiben, bedeutet für diese Menschen, nicht mehr zu wissen, wie man überlebt. Die überwiegende Mehrheit dieser schutzbedürftigen Haushalte erhält keine staatlichen Beihilfen und ist vollständig vom Schock und den Folgen der Pandemie betroffen.

Unter den Gemeinden, die in den oberen Regionen des Departements Cochabamba leben, arbeiten Kleinbauern trotz der Einschränkungen weiter in ihren Parzellen. Es ist die Zeit der Kartoffelernte und diese Aktivität trägt zur Produktion von Lebensmitteln für die Städte bei.

ANAWIN setzt führt seine Projektaktivitäten weiter,  mit den durch die Quarantäne bedingten  Einschränkungen. In den ersten drei Monaten dieses Jahres wurden erhebliche Fortschritte bei der Verbesserung der Ernährungssouveränität in Montecillo und Chapisirca erzielt. Es gab Organisations- und Schulungsarbeiten für die Vorbereitung von Terrassen, Kleingärten, Gewächshäusern und von Gehegen für das Vieh. Diese Vorbereitungen und die ständige Unterstützung der ANAWIN-Techniker ermöglichten es, den Begünstigten des Projekts, die Produktion von Gemüse und die Installation von Obstgärten fortzusetzen.

Die Betreuung durch die ANAWIN-Techniker geschieht telefonisch und über soziale Medien. Die geplanten Aktivitäten sollten je nach landwirtschaftlichem Zyklus verschoben werden. Der Kalender für diese Aktivitäten muss daher neu geplant werden. Das ANAWIN-Team hat sich in der Zwischenzeit auf die Erstellung alternativer Bildungs- und Schulungsmaterialien wie Handbücher, Broschüren und Lernspiele konzentriert.

Bei der Wiederaufnahme der Aktivitäten nach der Quarantäne sind gezielte Maßnahmen unerlässlich, um die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen (insbesondere Wasser und Boden), den Erhalt der biologischen Vielfalt und die Stärkung der Lebensmittelversorgung in ländlichen und städtischen Gebieten quer durchs Land zu gewährleisten.

Situation in Temuco / Chile

von Roberto Mansilla, FUNDECAM                                                                         10.05.2020

Die Region Araukarien war eine der am stärksten vom Coronavirus betroffenen Regionen und war zu einer Zeit die Region mit der höchsten Infektionsrate im Land im Verhältnis zur Bevölkerung. Die Gemeinde Temuco gehört zu den am stärksten infizierten Gemeinden.

Glücklicherweise gibt es keine neuen Ausbrüche und ein etwas kontrolliertes Wachstum wurde beibehalten. Wieder einmal ist klar geworden, wer, wie in diesem Fall, die Kosten für Umwelt-, Sozial-, Wirtschafts- und Gesundheitsrisiken trägt. Heutzutage hat insbesondere in der Metropolregion Santiago die Zahl der Infektionen merklich zugenommen, was zu einer fast vollständigen Quarantäne geführt hat. Und dieser Anstieg ist in den am stärksten gefährdeten Gemeinden und Stadtteilen am größten, in denen eine Quarantäne nicht praktikabel ist aufgrund der Überbevölkerung und der Schwierigkeiten bei der Deckung der Grundbedürfnisse, die diese Bevölkerung dazu zwingen, nach täglichen Ressourcen zum Überleben zu suchen.

In diesem Sinne ist die aktuelle Botschaft der Regierung widersprüchlich, da sie der Rettung der Wirtschaft eine größere Bedeutung beimisst als der des Gesundheitssektors. Es gibt offensichtliche Anstrengungen, Einkaufszentren zu eröffnen und die industrielle Aktivität wieder aufzunehmen, sowie ein unverständliches Interesse, die Kinder wieder in ihre Schulen zu holen.

Die vor wenigen Tagen auferlegte totale Quarantäne führte dazu, dass wir die Aktivitäten von FUNDECAM auf unbestimmte Zeit einstellten, insbesondere diejenigen, die Fahrten zu  und Kontakt mit den Mapuche-Gemeinschaften beinhalten. Es ist uns gelungen, die Gemeinden von Vilcún, die Teil unseres Projekts sind, zu kontaktieren, um die Mechanismen festzulegen, die unter diesen Umständen eingesetzt werden können.

Die Gemeinschaften hatten bereits bestimmte Garantien festgelegt, um eine Kontamination zu vermeiden, was Einschränkungen beim Zugang zu ihrem Hoheitsgebiet implizierte. Infolgedessen baten sie uns, nur telefonisch zu kommunizieren.

Wir haben diese Entscheidung voll und ganz respektiert und geteilt. Die Telefonberichte, die wir regelmäßig durchführen, zeigen uns, dass es bis heute dort keine größeren Schwierigkeiten gibt, selbst wenn sich eine erhebliche Anzahl infizierter Personen in der Gemeinde befindet. Die Gemeinden sagen uns, dass sie gewisse Vorteile haben, weil sie für bestimmte Lebensmittel mit ihrer kleinen Produktion autark sind und so das Einkaufen in städtischen Zentren vermeiden.

Im Fall des Kindergartens in Vilcún richtet sich die Situation nach den Bestimmungen der Schulbehörde, die über die vollständige Schließung der Schulen entscheidet. An bestimmten Tagen werden nur einige grundlegenden Aktivitäten wie die Lieferung von Lebensmitteln für Kinder, die im Kindergarten eingeschrieben sind, aufrechterhalten. Dieses Essen wird in Form von Rationen pro Kind geliefert, die die Eltern in der Schule abholen müssen, die erst an den Liefertagen des Essens geöffnet wird.

Auf der pädagogischen Seite bereiten die Lehrkräfte Hilfsmaterialien für die Kinder zu Hause vor und verteilen sie, um mit ihnen und ihren Familien in Kontakt zu bleiben.

Die gleiche Vorgehensweise gilt auch für die Trañi Trañi-Schule, mit dem Unterschied, dass die Schule Lebensmittel und Bildungsmaterialien zum Wohnort der Schüler liefert. Dies aus Rücksicht auf die weit verstreute Lage ihrer Häuser.

Die Regierung ist bestrebt, diese Einstellung der Aktivitäten zu beenden, um Anzeichen für eine Rückkehr zur Normalität zu zeigen. Dies führt zu einer Haltung hoher Ablehnung bei den Eltern, da dies als großes Risiko für die Kleinen und ihre Familien angesehen wird.

In Bezug auf die Situation des FUNDECAM-Arbeitsteams haben wir eine angemessene Koordinierung erreicht, um sowohl auf die Gemeinden als auch auf die Anforderungen der öffentlichen Dienste zu reagieren. In diesem Zustand behalten wir die Aktivitäten bei, die sowohl Schulen als auch Kindergärten zugewiesen wurden.

Abschließend möchten wir uns bei Ihnen für Ihre Besorgnis bedanken und Sie herzlich umarmen, in der Hoffnung, dass diese gesundheitliche Komplikation Sie nicht betroffen hat und wir diesen Weg der Zusammenarbeit und Solidarität fortsetzen, den wir seit so vielen Jahren verfolgen.

Lage in Cusco / Peru

von Ana-Maria Galiano Gutierrez, FUNDACIÓN CRISTO VIVE PERÚ   05.04.2020

Hier in Cusco müssen die meisten Menschen die seit dem 15. März von der Regierung ergriffenen vorbeugenden Maßnahmen, SOZIALISOLIERUNG + HÄNDEWASCHEN + QUARANTÄNEBESTIMMUNG, einhalten. Polizei und Armee kontrollieren die Straßen und öffentlichen Plätze… alles ist eingeschränkt. Es gibt immer noch Menschen, die sich verantwortungslos verhalten und infolgedessen hat die Armee jetzt den Befehl, ungehorsame Menschen zu erschießen … Nun, wir Frauen, wir können nur von Dienstag bis Donnerstag und samstags ausgehen, Männer von Montag bis Mittwoch und freitags, um Lebensmittel oder Medikamente zu kaufen – HEUTE, PALMSONNTAG, IST ES UNS VERBOTEN, DIE HÄUSER ZU VERLASSEN. Jeden Tag ab 18 Uhr herrscht völliger Stillstand aller Aktivitäten, in anderen Städten bereits ab 16 Uhr. Gegen diejenigen, die diese Maßnahmen nicht einhalten, wurden Sanktionen verhängt. Dies ist der einzige Weg, um den Zusammenbruch unseres Gesundheitssystems zu vermeiden und die Todesfälle durch Covid-19 zu minimieren. Diese Maßnahmen sind bis zum 13. April streng. Wir wissen nicht, was als nächstes passieren wird. Die getroffenen Entscheidungen basieren auf den statistischen Ergebnissen, die an diesem Datum vorgelegt werden (…).

Situatioun vum Projet Teatrobus

vum Diane Catani

Säit Mëtt Mäerz hu mir eis Equipe-Versammlungen all Woch online. Mir schaffen all vun doheem aus. Administrativ Aufgaben kann een jo och vun doheem aus erleedegen. Mee mir hunni eis vill Gedanke gemaach, wéi een iwwerhaapt kann per Computer en Theaterworkshop ubidden. Virun allem well eis Kanner aus dem Aarmevéirel jo net all e Computer hunn an zudeem meeschtens nach eng schlecht Internetverbindung. Wichteg war et eis, egal wéi, mat de Famillen telefonesch a Kontakt ze sinn, fir ze wëssen, wéi et hinnen moralesch an finanziell geet. D’Vilma, eis Mataarbechterin ass also eis Haaptverantwortlech fir de Kontakt mat den Famillen.

D’Vilma ass a Kontakt mat den Elteren.

Mir kruten och e gudden Feedback vun de Mammen: si si frou, dass iwwerhaapt een no hinnen freet an déi meescht hunn eis uvertraut, dass se keng Aarbecht méi hunn. Mir als Equipe wëssen, dass et déi nächst Méint zimmlech haart gëtt fir déi Famillen, déi souwisou schonn un der Aarmutsgrenz gelieft hunn. Dofir hu mir och spontan entscheet, fir d’Bensinsgeld vum Bus (deen jo souwisou net gebraucht gëtt) ze huelen, fir Liewensmëttel anzekafen: Mëttlerweil konnte mer un 6 Famillen eng Tut mat Iesswueren, Seef an Toilettëpabeier iwwerginn. Och schaffe mer enk mat der capilla Cristo Vive zesummen, e sozialt Netzwierk ass entstan. De Projet Teatrobus ass jo en soziale Projet. Doduerch hu mir och entscheet, dass all eis Mataarbechter trotzdeem hier Pai weider kréien. Jiddwereen huet seng Funktioun a schafft vun doheem aus. Säit Abrëll si mir am Gaang ze plangen, wéi eis Workshopen kennen weider lafen – online! Mir hunn et fir onméiglech gehal, iwwer Computer mat de Kanner Theater ze spillen. Mee näischt ass onméiglech. An obwuel eis 1. Teatrobus-onlineVersammlung mat de Kanner den totale Chaos war, a bei eisem 1. Versuch just 2 Kanner et fäerdeg bruecht hunn, sech anzeloggen, hu mir net opginn.

Jugentheatergrupp online

Technesch gesinn ass dat Ganzt eng riseg Erausfuerderung, well ëmmer op d’manst ee Kand näischt um Bildschierm gesäit, oder eis net héiert, oder d’Verbindung matten am Gespréich zesumme brécht, oder keen iergend eppes versteet wéinst dem schlechten Audio. Mee mir si mat den Elteren intensiv drun, dass si eis mussen ënnerstëtzen an hire Kanner hëllefen, fir sech anzeloggen. An mir haten de läschte Freiden e groussen Erfolleg: 20 Kanner, opgedeelt an 2 Gruppen waren online a konnten Kierperübungen maachen, danzen a geléiert, mat eiser Prof dem ROSY, aus enger Fixfeieschkëscht en Mini Theater ze bastelen.

Jugentheatergrupp, online

Och ech konnt aus mengem Büro eng Liveschaltung maachen an per Bildschierm mäin Märchen virspillen. Dat ass alles e bëssen ongewinnt, mee besser wéi näischt. Eis geet et drëm de Kanner och an der Quarantaine kënne Fräiraum fir Kreativitéit unzebidden an einfach fir si do ze sinn an hinne no ze lauschteren. D’Kanner hunn en immenst Bedürfnis, fir kënnen ënnert eneen ze schnëssen, an mir si frou, wa mer eis all um Bildschierm gesinn. An eis jugendlech Meedercher vun der professioneller Theatergrupp, mat deenen prouwe mir online weider un eisem Theaterstéck, fir dass si net den Text vergiessen. Wat den Fraenatelier ubetrefft, sinn ech am Gaang z’iwwerleeën, zesummen mat enger Psychologin, e virtuellen online “Nolauschter-Krees“ ze organiséieren, wou d’Mammen matenee schwätzen, hir Suergen deelen an sech einfach géigesäiteg nolauschtere kënnen.

 

Diane, Märchenerzählerin

Et si komesch Zäiten, déi geschwënn eriwwer ginn. Hoffentlech! Mir sinn also no enger 1. Depressioun an der Equipe wéinst der grousser Erausfuerderung elo stolz op eis, dass mir all Freiden online sinn an d’Kanner gutt matmaachen. Hei e puer Fotoen am Anhang. Och de link vun youtube vum Märchen fir eis Kanner. https://www.youtube.com/watch?v=yPr-57JyX_Q

Eng mega Chance hate mer, wéi de Carlo Krieger, Ambassadeur vu Lëtzebuerg fir Brasilien a Chile, mech kontaktéiert huet a mir 2000 Euro gespent kruten, fir kënne Liewensmëttel ze kafen an un déi äermste Famillen ze verdeelen. Dës 2000 Euro sinn anscheinend vum Cocktail vun der Ambassade fir Nationalfeierdag iwwreg, deen se hu missen ofsoen.

Et kennt och elo en Artikel hei an d’Zeitung “Condor“ , eng däitschchilenesch Zäitschrëft, iwwer eisen onlineTheater!

Mir féieren jo dëst Joer eis 10 Joer Teatrobus. Mir wëllen dat net virtuell maachen. Mol kucken, wéini sech erëm alles normaliséiert. Mir rechnen domat, dass elo dat Schlëmmst eréischt kënnt, wéinst dem Wanter an dass mir vläicht sou am September erëm kënne richteg Theater maachen.

Wéi et hei weider geet , weess keen. Hoffe mer dat Bescht!

Léif Gréiss an huelt iech Zäit, fir och mäin perséinlechen Bericht zur Lag hei am Chile ze liesen. Merci.

Ech hoffen, iech geet et och de Ëmstänn entspriechend gutt. Vill Spaass am “déconfinement“ zu Letzebuerg 🙂

Bescht Gréiss aus Santiago

Diane

Aktuell Corona-Situatioun am Chile (Mee 2020)

vum Diane Catani

Momentan ass hei grad ganz Santiago a Quarantaine. Als Famill si mir scho säit Mëtt Mäerz fräiwëlleg doheem, et ass jo och keng Schoul. Säit 2 Wochen ass et awer lo Quarantaine-Flicht, an et muss een doheem bleiwen. Et däerf een net em de Bloc mat de Kanner spazéire goen. Fir akafen ze goen, oder bei den Dokter ze fueren, brauch een eng polizeilech Erlabnis, déi ee per Internet kritt. Nuets ass Ausgangsspär, d’Militär ass op de Stroossen, a vill Leit sinn dankbar dofir, well si anscheinend fir méi Sécherheet suergen. De chilenesche Gesondheetsminister an de Präsident Piñera hu wärend 2 Méint d’Leit versicht ze iwwerzeegen, dass se awer solle schaffe goen, dass d’Ekonomie net däerf stëll stoen, dass d’Kanner erëm an d’Schoul missten. Gläichzäiteg hunn se just vereenzelt Gemenge vu Santiago an Quarantaine gesat. De Sënn dovun huet kee verstan, well d’Vollek jo eigentlech wëll, dass d’Leit endlech all doheem bleiwen an dass ganz Santiago soll a Quarantaine sinn. Eng Moossnam, déi de Staat awer réischt säit 2 Woche geholl huet. Bei 6 Milliounen Awunner ass et och schwiereg, d’Situatioun an de Greff ze kréien, virun allem wann vill Meschen all Dag mussen op der Strooss hir Saachen oder Iesse verkafen, fir kënnen hir Famill ze ernären. Meng Frënn ginn een nom aner aarbechtslos, an de Staat hëlleft deenen Äermste mat engem jämmerlechen Noutstands-Bonus, deen e puer Leit kréien an anerer net. Chile bretzt sech jo och no baussen, well anscheinend esou “wéineg“ Doudeger hei wieren. Lo gouf et da kierzlech e Skandal wéinst falschen Ëmgang mat den Doudeszuelen. Dat ass ee jo hei souwisou gewinnt. D’Gesondheetspersonal schwätzt vun iwwerfëllte Klinicken. De Wanter steet virun der Dier, dat Schlëmmst wär ze erwaarden. Ech weess éierlech gesot net, wivill Doudeger mer hei hunn, ech kucke keng Noriichten. Ob de Corona Virus dann elo wierklech vill Doudeger mat sech brénge wäert, ob en erfonnt gouf vun den Amerikaner oder de Chinesen, oder ob alles just e grousse weltwäite Fake ass, dat ass fir mech perséinlech am Fong an Tëschenzäit net méi wichteg ze wëssen: Tatsaach ass, dass hei am Chile katastrophal Folgen duerch d’Corona Kris ze spiere sinn. Ugefaange bei der neier Kriminalitéit op de Stroossen, Schéissereien direkt nieft eisem Haus, op hellliichten Dag tëscht Drogebanden! D’Grenzen si jo lo zou an Droge méi deier ginn. Meng Kanner hunn also geléiert, bei Schëss sech op de Buedem ze geheien :- ( Do wou ech wunnen, war dat eigentlech bis elo net normal. Nuets héiert ee Sireenen iwwerall, an se fuere mam Desinfektiuonscamion laanscht a besprëtzen eis…ech froe mech mat wat, well eis a ville Frënn deet nonstop de Kapp wéi. Do kann een sech emol Suerge maachen, mat wat mir do besprayt ginn. An wat grad ganz dramatesch ass, sinn déi dausende vun eenzele Schicksaler am Armevéirel, well d’Leit hu keng Aarbecht méi, keng Pai, keng sozial Hëllef.

De Frigo ass eidel bei deenen äermste Famillen an d’Liewensmëttel kaschte mëttlerweil dat Duebelt. An da kennt nach derbäi, dass d’Leit op enkstem Raum wunnen:  Stellt iech nëmmen all déi enk Haiser am Armevéirel vir, wou se lo mussen d’Quarantaine aushalen. D’Ënnerstëtzung vum Staat ass en eenzege Witz, e puer Këschte mat Iesswuere gi verdeelt. Mee et misst jo eigentlech sozial Hëllef vum Staat ugebuede ginn. Wann de Staat seng Gelder géif anstänneg verdeelen, bréichte mer keng Liewensmëttelkëschten ze verdeelen. Mëttlerweil gëtt a ville ‘’poblaciones’’ (Aarmevéirel) ëmmer de Weekend eng ‘’olla común’’ organiséiert. Dat si sozial Aktioune vun den Noperen, déi sech zesummen doen, a fir d’ganz Noperschaft mat kachen. Ween näischt z’iessen huet, ka mat sengem Dëppen dohi goen an sech déi néideg Portioune mat heem huelen. D’Vollek hëlleft dem Vollek. Méindes owes um 21.00 Auer héiert een aus den Haiser déi berüümt ‘cacerolazos’, d’Leit schloe mam Bräiläffel op d’Dëppe fir ze protestéieren. Dat ass jo déi chilenesch Aart a Weis, vun doheem aus opmierksam ze maachen op d’Ongerechtegkeeten an déi sozial Ënnerscheeder. D’Manifestatiounen, déi sech säit Oktober 2019 zu enger grousser Revolt entwéckelt haten, fir en wierdege Chile, si mat der Corona Kris vun engem Dag op deen aner erstéckt ginn. D’Policepresenz am Zentrum vu Santiago ass massiv, sou dass et onméiglech ass, sech bei der mëttlerweil symbolescher ‘’Plaza Dignidad’’ ze treffen an ze protestéieren. Bleift doheem, heescht et. Dëse Virus koum dem Präsident also wéi vum Himmel gefall. Hien huet och direkt am Mäerz entscheet, dass de Plebizit muss ofgesot ginn. Den historesche Plebizit, fir eng nei Verfassung, deen d’Chilenen sech duerch massiv Manifestatiounen erkämpft hunn, ass also verluecht, mam Argument, dass d’Leit net däerfen ze no beienee sinn.

Protest um Daach vum Haus

Gläichzäiteg fueren awer all Dag Milliounen Aarbechter mam Metro op enkstem Raum schaffen. D’Logik vum Staat versti mir hei net. Den 1. Mee hu vereenzelt Manifestante versicht opmierksam ze maachen, op deen inkompetenten Ëmgang vun der Regierung mat der Corona Kris. Mee wien op d’Strooss geet, leeft e grousse Risiko, festgeholl ze ginn. Och mëttlerweil sinn eenzel Journaliste vun der onofhängeger Press am Prisong. Et geet drëm, dass am Chile ëmmer méi zenséiert gëtt an déi sozial Netzwierker vum Staat iwwerwaacht ginn. Eis Meenungsfräiheet schéngt a Gefor ze sinn. Den Honger gëtt ëmmer méi grouss. Et brodelt am Vollek. Wéi laang d’Leit nach brav doheem bleiwen, weess keen. Wat geschitt, wann geschwënn ëmmer méi Mënsche verzweiwelt a rosen op d’Strooss gi fir ze manifestéieren an op massiv Policegewalt treffen, wëll ech mer léiwer net virstellen. Mee mir ginn net op. Bausse vu mengem Haus hänkt e grousst Plakat, wou drop steet: ‘’En cuarentena, pero despiertos. Volveremos’’ (Dat heescht op Lëtzebuergesch, dass mir zwar an der Quarantaine, also ‘’agespaart’’ sinn, mee waakreg, oder ‘’wachsam’’ sinn, an dass mer, wann des Corona Kris eriwwer ass, erëm zeréck op d’Stroosse wäerte goen, fir weider ze manifestéieren an eis anzesetzen fir en wierdege Chile.

Santiago, 27. Mee 2020

Ein Volksaufstand unter Ausgangssperre – Chile in Zeiten von Corona

von Anna Landherr, Jakob Graf, amerika21

Doch auch wenn die Straßen vorerst leer sind und Piñera provokativ ein Foto von sich selbst auf der Plaza Dignidad1, dem Symbol der Protestbewegung, twitterte, ist der Kampf der Chilenen noch nicht vorbei, er hat sich derzeit lediglich auf andere Bereiche verschoben. Die Pandemie könnte die Situation sogar noch eskalieren lassen, denn die Krise des Gesundheitssystems, private soziale Sicherungssysteme, prekäre Beschäftigung und soziale Ungleichheit spitzen sich nun dramatisch zu.

Grund dafür ist auch die Struktur des Staates, der in der Diktatur zum „Anti-Sozialstaat“ umgebaut wurde. Chilenische Sozialwissenschaftler nennen ihn den „Estado subsidiario“, der dem Markt nach Möglichkeit alle Wirtschafts- und Lebensbereiche überlässt und nur eingreift, wo der Markt versagt. Laut Emmanuel Farías Carrión und Juan José Moreno Figueras würden soziale Rechte somit zu Konsumgütern, deren Indienstnahme bezahlt werden müsse. Dies hat nicht nur zu der breit kritisierten und erheblichen Ungleichheit in Chile geführt, sondern auch dazu, dass der Staat in Krisenzeiten wie der jetzigen kaum noch handlungsfähig ist.

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Projektreise CHILE & BOLIVIEN

Februar 2020

von Marco Hoffmann

Unsere Projektreise 2020 fand vom Samstag 1. Februar bis Sonntag 16. Februar statt. Über den Ozean sind Claude Schweich und ich selbst mit Air France geflogen, 14 Stunden Paris – Santiago de Chile. Von Santiago ging es sonntags gleich weiter nach Temuco zu FUNDECAM, der ersten von vier Partnerorganisationen, die wir während unserer Reise begegnen wollten.

Tag 2 – 02/02/2020: Temuco
– Willkommenstreffen um 17:00 Uhr in den Büroräumen von FUNDECAM, mit Roberto Mansilla (Geschäftsführer), Lorena (Präsidentin), Gonzalo (Vorstandsmitglied) und Pricilla (Sekretärin).
Temuco ist zugenagelt. Die Erdgeschosse und Vitrinen in den Einkaufsstraßen sind mit Holz- oder Blechverkleidungen verbarrikadiert. Gerade am Sonntag, bei unserer Ankunft, sind sehr wenig Leute in den Straßen. Die 300 000 Einwohner-Stadt ist wie tot und wir haben Mühe, am Abend ein offenes Restaurant zu finden.

TAG 3 – 03/02/2020: Temuco
– am Morgen: Besuch der Mapuche-Gemeinschaften Juan Acuite und Juan Secundo Marilun de Vilcun
Die Frauen zeigen uns ihre Handarbeiten, Stickereien, Malereien, Töpfereien sowie Tapenaden aus lokalen Pflanzen und Pimenten. Alle Aktivitäten erlauben es, die Produkte zu verkaufen und ein kleines Einkommen zu sichern. Einige Frauen sind Imkerinnen und verkaufen ihren Honig. Bei einem Austausch mit Mapuche-Gemeinschaften in Argentinien haben sie sich das notwendige Know-how angeeignet. Ein Teil der Gewinne wird auf ein Gemeinschaftskonto eingezahlt und dient dazu, neue Mikrokredite zu gewähren.
Die Leute waren am Anfang sehr skeptisch, was das Projekt betrifft, sagen uns aber in der Versammlung, dass sie noch heute überrascht sind, wie positiv sich das Ganze entwickelt hat. Sie freuen sich, uns kennenzulernen und der Lonqo, der Chef der Gemeinschaft, hebt hervor, dass noch nie jemand sie besucht hat und auch sonst kaum einer sich für sie interessiert. Die exzellente Arbeit von FUNDECAM im Rahmen unseres Projektes und unserer Finanzierung hat sich wieder bestätigt und die Dankbarkeit der Leute ist groß und nicht gespielt.

– am Nachmittag: Besuch der Gemeinschaften José Miguel Borne und Juan Carriman de Vilcun
Wir können wiederum feststellen, wie eng unsere Partnerorganisation FUNDECAM mit den Gemeinschaften verbunden ist. Der Austausch findet auf Augenhöhe statt und die Leute legen zum Teil sehr emotionale Zeugnisse ab. Der Präsident der Junta de Vecinos berichtet auch vom gemeinsamen Bankkonto der Gemeinschaft und wie somit immer mehr Leute vom kooperativen System profitieren können. Dieses System ist die Weiterentwicklung des „fondo rotatorio“, der über das Niti-Projekt finanziert wurde (quasi ein Mikrokredit mit Anschubsfinanzierung, der ausschließlich der Verbesserung der Produktion zu dienen hat und nur zur Hälfte zurückgezahlt werden muss). Ein gutes Beispiel nachhaltiger Entwicklung!

Eine Frau lädt uns zu sich nach Hause ein. Sie und ihr Mann haben einige Jahre in Santiago in diskriminierenden Verhältnissen arbeiten und leben müssen. Sie ist heute stolz, Mapuche zu sein und als Imkerin kann sie einen Teil des Haushaltseinkommens bestreiten. Daneben betreibt sie noch einen kleinen Dorfladen. Sie und ihr Mann haben eine Ruka, einen traditionellen Versammlungsraum, für die Gemeinschaft gebaut.
Zum Schluss noch eine Überraschung, als ihr Mann, am Ausgang des Gebietes der Gemeinschaft, auf uns wartet, um uns kennenzulernen und noch einen Topf Honig zu schenken.

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Chile: Kongress beschließt Geschlechterparität für verfassungsgebende Versammlung

Von Analena Bachmann
amerika21

Der chilenische Kongress hat für eine Gender Parität
bei einer möglichen Verfassungsgebenden Versammlung gestimmt
Quelle: pl

Santiago: 11.03.2020. Der chilenische Kongress hat sich für eine Geschlechterparität bei der möglichen verfassungsgebenden Versammlung entschieden. Am 26. April stimmen die Chileninnen und Chilenen in einem Plebiszit darüber ab, ob eine neue Verfassung ausgearbeitet werden soll. Spricht sich das Volk dafür aus, so wird das verfassungsgebende Organ aufgrund des Beschlusses zu gleichen Teilen aus Männern und Frauen bestehen. Damit wäre die chilenische Verfassung die erste Verfassung weltweit, an der Frauen und Männer zu gleichen Teilen beteiligt waren.
In der Abgeordnetenkammer stimmten 98 Abgeordnete für den Entwurf, drei dagegen und 52 enthielten sich. Später im Senat stimmten 27 dafür, sieben dagegen und vier enthielten sich. Damit wurde auch beschlossen, dass eine Korrektur in Distrikten notwendig ist, in welchen kein Gleichgewicht von Frauen und Männern erreicht wird. Ist in einem Distrikt eine der beiden Gruppen in der Überzahl, so werden die gewählten Kandidatinnen oder Kandidaten dieser Gruppe, die die wenigsten Stimmen haben, für Bewerber oder Bewerberinnen der anderen Gruppe ersetzt.
Loreto Carvajal von der Partei für Demokratie sagte über den Entschluss: „Heute hallte es von den Kolleginnen und Kollegen des Parlaments zurück, dass die zukünftige chilenische Konstitution auch mit Frauen geschrieben werden soll.“ Schon im vergangenen Dezember wurde über diesen Vorschlag, der von der Opposition eingereicht wurde, abgestimmt. Damals erreichte weder dieser Entwurf noch der der Regierung im Senat die notwendige Mehrheit.
Eine neue Verfassung ist eine der lautesten Forderungen der Demonstrierenden, die seit Mitte Oktober letzten Jahres gegen soziale Ungerechtigkeit auf die Straßen gehen. Mit einer neuen Konstitution soll das Erbe der Diktatur unter Augusto Pinochet (1973 – 1990), aus der die derzeitige Verfassung stammt, abgelöst werden. Angefangen hatten die Proteste aufgrund einer Preiserhöhung der Fahrkarten für den Öffentlichen Verkehr. Die Konflikte zwischen Demonstrierernden und Staatsgewalt haben bisher 31 Todesopfer gefordert.

Polizeigewalt in Chile lässt nicht nach

Granaten auf die Köpfe:

Gummigeschosse darf Chiles Polizei kaum mehr einsetzen. Jetzt zielt sie mit Tränengasgranaten direkt auf die Protestierenden. Ein Mensch stirbt.

In Chiles Hauptstadt Santiago am Mittwoch: Ein verletzter Demonstrant wird von Sanitätern behandelt 11.03.2020. Foto: REUTERS/Pablo Sanhueza

SANTIAGO DE CHILE taz |

Die DemonstrantInnen am Plaza Italia, den sie auf Plaza Dignidad (Platz der Würde) umgetauft haben, tragen mittlerweile nicht mehr nur eine Gasmaske und eine Schutzbrille, sondern auch einen Helm beim Protest. Der Einsatz von Gummigeschossen durch die Polizei wurde zwar eingeschränkt, nachdem innerhalb weniger Monate hunderten Menschen in die Augen geschossen wurde. Dafür schießen die Carabineros jetzt aber mit Tränengasgranaten auf die Körper und vor allem die Köpfe und Gesichter der Protestierenden.
Der 48-jährige Cristián Valdebenito ist das erste Todesopfer, das die Tränengasgranaten der Polizei verursacht haben. Er protestierte am vergangenen Freitag am Plaza Dignidad, als er von einer Granate am Kopf getroffen wurde. Anschließend behandelten ihn freiwillige Ersthelfer*innen und brachten ihn mit einem schweren Schädel-Hirn-Trauma in die Notaufnahme des naheliegenden Krankenhauses. Am Samstagmorgen starb er an den schweren Verletzungen.

Beim selben Protest wurden neun weitere Personen durch Tränengasgranaten verletzt, drei erlitten Augenverletzungen. Einer von ihnen ist der 24-jährige Dante Davagnino, der von einer Granate im Gesicht getroffen wurde und jetzt auf einem Auge blind ist. Er studiert Musik an der Universidad Academia Humanismo Cristiano, die auch der 22-jährige Gustavo Gatica besuchte, der im November komplett erblindete, nachdem ein Polizist ihm mit Gummigeschossen in beide Augen schoss.
„Es ist ungeheuerlich, dass wir erneut Zeugen einer Situation von maßloser Polizeigewalt werden, der die Jugendlichen zu Opfer fallen. Es handelt sich um eine systematische und illegale Aktion in einem Kontext der Straflosigkeit, die die Gewalt durch den Staat seit dem 18. Oktober charakterisiert“, sagte der Rektor der Universität Álvaro Ramis, nachdem der Fall von Davagnino bekannt wurde.
Gehirnerschütterungen und Knochenbrüche
Das Nationale Institut für Menschenrechte (INDH) erklärte: „Wir verurteilen und bedauern den Todesfall und die neuen Fälle von Augenverletzungen, die uns zwingen, die Polizeikräfte daran zu erinnern, dass der Einsatz von Gewalt proportional sein und die internationalen Menschrechtsstandards respektieren muss.“
Dem INDH zufolge wurden bisher 271 Personen durch Tränengasgranaten verletzt, die Zahl sei in den letzten Wochen stark angestiegen. Beim Aufprall auf dem Körper können die Granaten nicht nur schwere Verbrennungen und Verätzungen, sondern auch Gehirnerschütterungen und Knochenbrüche verursachen, abgesehen von Atemwegserkrankungen und Hautkrankheiten durch das Gas. „Die Tränengasbomben sollten das letzte Mittel sein, dass die Polizei einsetzt, nicht das erste. Es ist unverantwortlich, diese chemische Waffe willkürlich einzusetzen“, heißt es in einem Bericht der Fakultät für Chemie der Universidad de Santiago.
Zugenommen haben auch die Fälle von Prügelattacken durch Polizist*innen. Auch Journalist*innen, MenschenrechtsbeobachterInnen und ErsthelferInnen werden immer wieder angegriffen.

Am vergangenen Sonntag wurde der 69-jährige Patricio Bao während der Proteste zum Weltfrauentag von einer Gruppe Polizist*innen mit Schlagstöcken brutal verprügelt. Der Fall wurde durch ein Video sofort auf sozialen Netzwerken verbreitet. „Die Polizisten handeln maßlos und ohne jegliche Kriterien. Niemand sagt ihnen, dass ihre Vorgehensweise schlecht ist. Als ich versucht habe, aufzustehen, haben sie grundlos weiter auf mich eingeschlagen“, sagte Bao anschließend in einem Interview im Nationalfernsehen TVN.
Innenminister Gónzalo Blumel sagte zu der Prügelattacke: „Es handelt sich um eine Aktion der Polizei, um die öffentliche Ordnung wiederherzustellen.“
Obwohl Organisationen wie Amnesty International, Human Rights Watch, die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte sowie die Vereinten Nationen bereits mehrfach auf die Verletzung der Menschenrechte durch die Polizei in Chile aufmerksam gemacht haben, streitet die Regierung ihre Verantwortung ab und spricht von Einzelfällen.
Abgeordnete der Opposition planen deshalb eine Verfassungsklage gegen den Innenminister Blumel. Eine Gruppe von Senatoren arbeitet an einem Bericht, um Piñeras Amtsenthebung wegen „körperlicher und geistiger Unfähigkeit“ zu fordern.

Frauenproteste in Chile

WOZ die Wochenzeitung


Von der Schülerin bis zur Seniorin: Weit über eine Million Frauen protestierten in Chile rund um den Internationalen Frauentag gegen Gewalt, tiefe Renten und die Regierung. Ein Blick auf die Entstehungsgeschichte einer riesigen Bewegung.
Von Toni Keppeler, Santiago de Chile

«Ich will nicht, dass sie aus meinem Kind eine Prinzessin machen»: An der Demonstration zum Frauentag in Santiago de Chile. Foto: Fernando Lavoz, Getty

Es war ein gewaltiger Auflauf von Frauen: Er füllte die Avenida Bernardo O’Higgins, die achtspurige zentrale Verkehrsachse von Santiago de Chile, über mehr als vier Kilometer. Auch die Seitenstrassen waren so verstopft, dass kaum ein Durchkommen war. An der lauten und kämpferischen Demonstration waren viele chilenische Flaggen zu sehen, aber auch die der Ureinwohner der Mapuche, die seit über 200 Jahren im Widerstand gegen die Regierung stehen.
Vor dem Präsidentenpalast La Moneda und auf der Höhe des Bankenviertels kam es am Rand des Zuges zu Strassenschlachten. Steine und Flaschen flogen in Richtung der Wasserwerfer und der hinter Gittern und Schildern verschanzten Carabineros, der paramilitärischen Polizei. Die setzten nicht nur Wasserwerfer ein, sondern feuerten auch Tränengasgranaten in die Menge. Wäre Panik ausgebrochen, hätte es Dutzende Tote geben können. Doch die Demonstrantinnen blieben gefasst. Seit Mitte Oktober dauern die Proteste gegen Präsident Sebastián Piñera, die Repression und das neoliberale Wirtschaftsmodell an. Szenen wie die vor der Moneda gehören seither zum Alltag.
Mit oder ohne Klamotten
Zwei Millionen Frauen sollen am 8. März allein in Santiago de Chile auf der Strasse gewesen sein, gab das Koordinationskomitee am Abend bekannt. Aus den Provinzstädten wurden weitere Massendemonstrationen gemeldet. Die Carabineros behaupteten, es seien in Santiago gerade einmal 150 000 Frauen gewesen. Eine persönliche Schätzung auf der Basis der Auszählung einzelner Blocks ergab, dass es bestimmt weit über eine Million waren: von Schülerinnen bis hin zu Seniorinnen, die sich auf einen Stock stützen mussten. Viele Demonstrantinnen trugen nur einen BH zur Hose oder zum Rock, etliche hatten sich den Körper mit Parolen bemalt: «Ob mit oder ohne Klamotten, mein Körper gehört mir.»
Transparente waren nur wenige zu sehen, auch gab es keine Abschlusskundgebung mit Reden. Die neue soziale Bewegung Chiles ist spontan und hat keine erkennbaren Figuren an der Spitze. Auch so sind die Forderungen klar: freie Abtreibung, ein Ende der Morde an Frauen und der Rücktritt des Präsidenten. Eine der am häufigsten gerufenen Parolen: «Piñera soll sterben, nicht meine Freundin».
Auch in Buenos Aires, in Mexiko-Stadt, in Bogotá und in vielen anderen Städten Lateinamerikas gingen die Frauen am 8. März zu Hunderttausenden auf die Strasse. In Chile, Argentinien und Mexiko wurde für den 9. März zudem zu einem Frauenstreiktag aufgerufen.
Die neue Frauenbewegung Lateinamerikas begann 2015, erklärt Alondra Carrillo, Sprecherin von Coordinadora 8M, im Gespräch. Damals protestierten in Buenos Aires Zehntausende Frauen mit der Parole «Ni una menos» («Keine Einzige weniger») gegen die Masse von Morden an Frauen. Jeden Tag werden in Lateinamerika zwölf Frauen umgebracht, in Chile mit seinen knapp achtzehn Millionen EinwohnerInnen jeden dritten Tag eine. Bis heute ist ein Ende dieser Femizide eine zentrale Forderung der Demonstrationen am Internationalen Frauentag.

Diane Catani in Luxemburg

Am Freitag, dem 24. Januar 2020 hielt Diane Catani im Bettemburger Jugendhaus ihren Vortrag: 

Sie berichtete über die Entwicklung der sozialen Unruhen in Chile während der letzten Monate, illustriert mit Video-Einspielungen sowie kurzen Theater-Einlagen. Die Freunde ihrer Unterstützergruppen Niños de la Tierra und Andamos, viele persönliche Freunde sowie mehrere in Luxemburg lebende Chilenen verfolgten aufmerksam Dianes sehr lebendige Ausführungen.

Es folgte eine kleine Feier zum zehnjährigen Bestehen von TeatroBus und die Scoutsgruppe aus Bettemburg überreichte einen Scheck über 2000 Euro.

Der gelungene Abend klang bei einem gemütlichen Zusammensein mit Pisco Sour und Geburtstagskuchen aus.

Hier eine kleine Fotoreportage im Anschluss (Fotos: Georges Ludwig, Michel Schaack).