Mein „abgekürztes“ Freiwilligenjahr in Tirani

von Alissa Franz

Von August 2017 bis März 2020 war Alissa Franz im Rahmen des „Service Volontaire“ des Service National de la Jeunesse als Kooperantin von Niños de la Tierra im Kindergarten „Ch’askalla“ und in der Hausaufgabenhilfe in Tirani/Cochabamba tätig. Der folgende Abschlussbericht gibt einen Überblick über ihre Arbeit und ihren Aufenthalt in Bolivien. 

Die Kinder der Hausaufgabenhilfe mit ihren BetreuerInnen

Was haben mich die Leute hierzulande mit großen Augen angeschaut, als sie hörten, dass ich mich nach der „Premiere“ nicht für den „normalen“ Weg Richtung Universität oder Ausbildung, sondern für ein anderes Abenteuer entschied.

Mitte August letzten Jahres konnte ich nämlich endlich meine Reise antreten und meinen Freiwilligendienst (unterstützt von Niños de la Tierra und dem Service National de la Jeunesse) in Tirani/Bolivien beginnen.

Blick von Tirani auf Cochabamba

Nachdem ich mich von meiner Familie und meinen Freunden verabschiedet hatte, hieß es: auf nach Cochabamba! Ich freute mich riesig auf meine kommende Zeit, aber natürlich machte ich mir dennoch meine Gedanken. Wie wird es wohl da sein? Was erwartet mich vor Ort? Werde ich mich gut zurechtfinden? Werde ich mich gut mit meinen Mitbewohnern verstehen?
Schon bei meiner Ankunft verschwanden diese Gedanken ziemlich schnell, ich hatte auch nicht wirklich Zeit, mir Sorgen zu machen, denn es war alles so überwältigend. Der viele Verkehr und Lärm von Cochabamba, die verschiedensten Gerüche, viele Leute, usw. Es war beeindruckend!

In Tirani, einem kleinen Dorf oberhalb von Cochabamba, wo sich auch das Projekt befindet, wohnte ich mit 2 andern Freiwilligen zusammen und dort arbeiteten wir auch zusammen. Wir wurden nach einer gewissen Zeit Teil dieser Dorfgemeinschaft, da jeder die Freiwilligen kennt, auch wenn wir längst nicht alle kannten. Uns war bald bewusst, dass in manchen Familien Gewalt herrscht, wir wussten Bescheid über die Alkoholprobleme der Eltern und über das schlechte Bildungs- und Gesundheitssystem. Die Kinder werden öfters vernachlässigt, deshalb ist es umso wichtiger, dass sie im Kindergarten sowie in der Hausaufgabenbetreuung ihre Kindheit ausleben können und mit viel Liebe respektiert und behandelt werden.

Morgens arbeitete ich im Kindergarten „Ch’askalla“ wo ich mit Tia Juana die Klasse mit den 2 bis 3-jährigen betreute. Mit ihr zusammen hatte ich die Chance, den Kindern viele neue Dinge beizubringen, wie zum Beispiel auf Zehenspitzen zu gehen, mit der Schere schneiden zu lernen, bis 10 zu zählen und vieles mehr. Es war eine Arbeit, die mir sehr viel Spaß machte, ich gewann schon nach ein paar Tagen das Vertrauen der kleinen Kinder, die mich immer mit einem lauten „Hallo“! empfingen, so wie auch das Vertrauen der Erzieherinnen. Die Kindergärtnerinnen sind alle aus Tirani und haben ein großes Bewusstsein, wie wichtig es ist, diese Kindergartenkinder mit der richtigen Art und Weise auszubilden und zu erziehen. Sie unterstreichen alle nochmal die Wichtigkeit dieses Projektes! Sie wissen allesamt, wie sie die Kinder unterhalten sollen, finden immer neue interessante Beschäftigungen und kümmern sich warmherzig um sie! Auch wenn nach der Schule zu Hause ihre eigenen Kindern sie erwarten, leisten sie alle eine tolle Arbeit!

Nachmittags arbeitete ich im Apoyo „Rijch’ariy“, wo ich den 8 bis 12-Jährigen bei den Hausaufgaben half. Mir kamen öfters die Hausaufgaben extrem nutzlos vor. Die Kinder mussten Zahlen von 1-500 aufschreiben oder einfach nur Texte abschreiben, aber nach einer Weile gewöhnte man sich auch daran. Man merkt, dass das Bildungssystem nicht das Beste ist. Kinder, die mittlerweile schon in der 3. Klasse sind, benutzen ihre Finger um 2 plus 2 zu rechnen und einige von ihnen haben große Schwierigkeiten beim Lernen. Ich fand es recht schwierig, bei solchen Fällen zu helfen, ich nahm jedoch jedes Mal die Herausforderung an und gab mein Bestes, um auch diesen Kindern grundlegende Sachen beizubringen. Aber nicht nur Hausaufgaben erledigten wir zusammen, wir spielten gemeinsam draußen Fußball oder Volleyball, wir kümmerten uns um unseren Garten indem wir Unkraut rupften oder wir schauten uns als Abschluss des Tages zusammen einen Film an. Die Arbeit war also sehr abwechslungsreich. Auch die Arbeit im Apoyo gefiel mir sehr! Die Kinder waren alle liebevoll, sie hatten ziemlich viel Energie und lachten oft und gerne.

In der Sommerpause waren der Kindergarten und die Hausaufgabenhilfe geschlossen, da nutzten wir Freiwillige diese Zeit, um den neuen Kindergarten in Taquina Chico (Nachbarort von Tirani) und auch unseren Apoyo mit mehr Leben zu erfüllen. Wir durften nämlich die äußeren Wände der beiden Gebäude anstreichen und mit kinderfreundlichen Bildern bemalen. Auch diese Arbeit hat mir sehr viel Spaß gemacht und ich muss gestehen, ich bin sehr stolz darauf, wie die beiden Gebäude schlussendlich aussehen.

Aber auch konnte ich während dieser freien Zeit die verschiedensten Landschaften Bolivien entdecken. Im Südwesten von Bolivien entdeckte ich zum Beispiel die größte Salzwüste der Welt – Salar de Uyuni – , im Tiefland von Bolivien, in Rurrenabaque befand ich mich mitten in den großen Regenwäldern, in den Anden bestaunte ich den höchstgelegenen See der Welt – Titicacasee – und in La Paz blieb mir nach paar Schritten auf 3.600 m Höhe die Luft weg. In Bolivien kann man einiges entdecken und die verschiedensten Landschaften sehen.

Meine Reisen in die beiden Nachbarländer (Peru und Chile) zeigten mir wie sehr die indigene Kultur noch in Bolivien vorhanden ist. Ebenso ist mir aufgefallen, dass das Land seinen Nachbarländern in seiner Entwicklung hinterherhinkt. Das Projekt in Tirani hat mir bewiesen, dass die Entwicklungshilfen enorm wichtig sind und den Einwohnern Hoffnung auf eine bessere Zukunft geben. Eine Entwicklungshilfe, in der auch die Einheimischen Hoffnung und Mut gewinnen und sich bemühen und mitarbeiten. Die Arbeitsgruppe in Tirani leistet eine ausgezeichnete Arbeit und ich bin froh, für eine gewisse Zeit dabei gewesen zu sein!
Ich freute mich schon riesig auf die nächsten Monate, die Erzieherinnen und wir die Freiwilligen hatten schon einiges geplant. „Día de la Familia“ und noch weitere Feste sollten groß zusammen gefeiert werden, im Kindergarten hätte ich mit älteren Kindern zusammengearbeitet, was mir erlaubt hätte, etwas anspruchsvollere Aktivitäten mit ihnen machen zu können, nur leider kam es anders. Durch die aktuelle Situation, die Covid-19-Pandemie musste ich meinen Freiwilligendienst frühzeitig beenden und nach Hause fliegen.

 

Mittlerweile sitze ich schon seit 6 Wochen mit tollen Erfahrungen und unvergesslichen Erlebnissen hier zu Hause und kann gar nicht mehr aufhören von meiner 8-monatigen Zeit in Bolivien zu schwärmen. Etwas steht fest: Ich fliege definitiv nochmal zurück, um meine bolivianischen Freunde wiedersehen zu können und „meine“ Kinder aus Tirani wieder in die Arme schließen zu können!!

Es war eine Zeit, die ich nie vergessen werde und für die ich sehr dankbar bin!

Salar de Uyuni