Schon fast ein Jahr in Cusco, Peru

Eindrücke unserer Freiwilligen Tonie Schweich

Seit August 2014 bin ich jetzt bereits in Cusco, Peru und absolviere mein freiwilliges soziales Jahr im Frauenhaus der Fundación Cristo Vive Peru.
Das Frauenhaus nimmt Mütter und Kinder auf, welche der häuslichen Gewalt zum Opfer gefallen sind. Die Frauen sehen oft keinen Ausweg, sind alleine, ohne Ausbildung, Arbeit oder Hoffnung. In den meisten Fällen sind sie abhängig von ihren Männern und sehen keine Chance, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Ihn sogar zu verlassen, wenn er gewalttätig wird, um sich und ihre Kinder zu schützen, ist für sie schier undenkbar.
Die Fundación will mit ihrem Projekt diesen Problemen entgegenwirken.
Im Frauenhaus bekommen die Mütter ein Dach über dem Kopf und drei warme Mahlzeiten am Tag geboten. Außerdem werden sie sowohl juristisch wie auch psychologisch unterstützt. Die Mitarbeiter des Frauenhauses verhelfen ihnen zu einer Arbeit oder einer Ausbildung und unterstützen die Mütter in der Kinderbetreuung.
Ich unterstütze die Mitarbeiter in den unterschiedlichsten Bereichen: Tagesgestaltung, Kinderbetreuung, Gesundheitsbetreuung, Therapien, Aktivitäten innerhalb sowie außerhalb des Frauenhauses.
Wir versuchen, sooft es geht, die Mütter und Kinder ihrem Alltag zu entziehen, mit ihnen Ausflüge zu organisieren, aufs Land zu fahren, ihre Sorgen und Erlebnisse für einige Momente vergessen zu lassen.
In Cusco ist es leicht, dem Alltag und dem Stadtrummel zu entfliehen, da die Stadt von Bergen und schönen Landschaften umgeben ist.
Ein Spaziergang mit allen Müttern zusammen mit ihren Kindern zum „Templo de la Luna“, in welchem alle ihre Sorgen ablegen sollten, mit anschließendem Picknick in den Bergen bringt alle zum Lächeln. Ein Ausdruck, welcher nicht immer alltäglich ist.

Ein Ausflug in den Zoo, welcher mit Hilfe der Spenden von der Weihnachtsfeier ermöglicht wurde, ist für alle etwas ganz Neues. Viele waren noch nie im Zoo; auch haben sie kaum regelmäßig etwas zusammen mit ihren Kindern unternommen.
Ein anschließendes Fußballspiel unter den Müttern hat sie gelehrt, zusammenzuhalten und gezeigt dass keine von ihnen alleine ist. Sie hatten alle ihren Spaß, Bewegung und haben vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben etwas zum Wohlergehen ihrer selbst getan.

Das Aufhängen einer Schaukel, war eine ganz neue Erfahrung für die Kinder. Viele von ihnen saßen noch nie in ihrem Leben auf einer Schaukel. Die einfachsten Dinge, welche selbstverständlich scheinen, zaubern diesen Kindern ein Lächeln aufs Gesicht und verhelfen ihnen zu einem Nachmittag wie er normaler nicht sein könnte.
Die Fundación ist außerdem dabei, eine Bäckerei zu eröffnen und den Müttern beizubringen, Brot und andere Leckereien zuzubereiten. Ein paarmal die Woche backen wir gemeinsam mit den Müttern Brot und verkaufen dies am Wochenende an einem Stand auf dem Markt. Später soll der Verkauf vom Frauenhaus aus ermöglicht werden.
Die unterschiedlichen Aktivitäten, der Zusammenhalt, die Freundschaften unter den Frauen und natürlich die juristische und psychologische Unterstützung verhelfen den Frauen auch nach ihrem Aufenthalt im Frauenhaus zu neuem Selbstvertrauen auf einem neuen Weg, in Selbständigkeit und weg von der Gewalt.

Zwei Schicksale unter vielen

Ich habe während meines Freiwilligendienstes 2014-2015 einige der Frauen aus der „Casita“, dem Frauenhaus in Cusco, über ihr Lebensschickal befragt. Ich habe die Berichte aufgeschrieben und ins Deutsche übersetzt:


Karina, eine 26-jährige Mutter, aus dem Bezirk von Cacapacmarca, eine Provinz von Chumbivilcas, Cusco hat zwei Söhne: Tony 6 Jahre alt und Kevin, 4 Jahre.
Sie erzählt ihre Lebensgeschichte:
Als ich ein kleines Mädchen war, hat mein Vater uns verlassen, wir haben viel mit unserer Mutter gelitten, es gab Tage an denen wir nichts zu essen hatten, doch in unserer Armut brachte sie uns alle durch.
Als ich 13 Jahre alt war, auf dem Nachhauseweg der Schule, ein Fußweg von drei Stunden, folgte mir ein Mann. Obwohl er Vater zweier Töchter war, missbrauchte und schwängerte er mich.
Damit niemand den Wachstum meines Bauchs bemerken würde, hab‘ ich mir einen Hüfthalter umgestrickt und bin weiterhin zur Schule gegangen. Nach 9 Monaten war dann die Geburt, das Baby wurde tot geboren, meine Eltern wussten nichts, meine Mutter hat sich fürchterlich über mich geärgert und wollte sich das Leben nehmen. Ich ging weiter zur Schule und meine Noten wurden schlechter, fiel durch 4 Kurse, traumatisiert wiederholte ich das Schuljahr.
Als ich 16 war, haben meine Eltern sich versöhnt und zogen wieder zusammen.
Mit 19 Jahren verliebte ich mich und zog mit meinem Partner zusammen; er ist der Vater meiner beiden Söhne. Das erste Jahr lebten wir glücklich zusammen, aber danach fing er an mich zu schlagen und schmiss mich aus seinem Haus, er beschimpfte mich wegen dem, was mir mit 13 Jahren widerfahren war, nannte mich eine Prostituierte, eine x-beliebige; seine Familie misshandelte mich und so lebten wir mit Problemen weiter, er schwängerte mich und nach 9 Monaten der Schwangerschaft bekam ich schwere Prügel.
Zwei Tage später wurde mein erster Sohn geboren, er roch unangenehm und sie schmissen mich aus dem Krankenhaus, ich war dem Tode nah. Später hat mein Lebenspartner mich in ein Haus gebracht, wo es weder Licht, Wasser noch ein Bad gab, er hatte keine Arbeit und wir mussten hungern.
Als mein Sohn ein Jahr alt war, ging mein Mann zum VRAE in die Drogen- und Terrorismus Zone, um zu arbeiten. Er ließ mir 100 Soles monatlich zum Leben. Ich musste meine Mutter anrufen und um finanzielle Unterstützung bitten.
Einmal war ich in der Küche, als seine Familienmitglieder eintraten und mich zusammenschlugen. Ich floh dann mit meinen Kindern an einen anderen Ort und ich zeigte meinen Mann wegen Gewalttätigkeit an. Er aber drohte mir, mich umzubringen, wenn ich nicht zu ihm zurückkehren würde, also folgte ich dem. Aber es war noch immer alles beim Alten, er schlug mich immer öfter. Ich fing an zu arbeiten und er schlug mich noch härter und das jetzt täglich und im Beisein meiner Söhne.
Der Jüngste, Kevin, holte eines Tages einen Stock und wollte seinen Vater schlagen. Der jedoch verpasste ihm eine Ohrfeige, dass er in die Zimmerecke flog.
Bei meiner Arbeit habe ich eine Freundin kennengelernt. Ich begleitete sie, um einen kostenlosen Anwalt zu suchen und so sind wir bei der Fundación Cristo Vive gelandet. Ich habe die Situation genutzt und mich mit der Anwältin unterhalten. Ich habe ihr alles erzählt und als sie mich fragte, ob ich ins Frauenhaus möchte, bejahte ich und sie begleitete mich nach Hause, meine Sachen packen und meine zwei Söhne abholen.
In der „Casita“, dem Frauenhaus, angekommen, fühlte ich mich anfangs unwohl.
Heute will ich nicht mehr zu meinem Lebenspartner zurückkehren und hab ihm bereits mitgeteilt, dass ich nichts weiter mit ihm zu tun haben will. In Beisein eines Mitarbeiters der Fundación konnte ich ihm die Stirn bieten. Hätte ich früher gewusst, dass es dieses Frauenhaus gibt, hätte ich mir nicht soviel Schläge gefallen lassen. Ich sagte mir: „Wenn er mich rausschmeißt, wo geh‘ ich hin, mit meinen Söhnen“ und hielt weiter durch, bis er mich fast umbrachte. Er hat mir Veilchen verpasst, dass ich mich schämte, weiter durch die Straßen zu laufen. Trotzdem ging ich weiterhin meiner Arbeit nach…
Karina