Mein „abgekürztes“ Freiwilligenjahr in Tirani

von Alissa Franz

Von August 2017 bis März 2020 war Alissa Franz im Rahmen des „Service Volontaire“ des Service National de la Jeunesse als Kooperantin von Niños de la Tierra im Kindergarten „Ch’askalla“ und in der Hausaufgabenhilfe in Tirani/Cochabamba tätig. Der folgende Abschlussbericht gibt einen Überblick über ihre Arbeit und ihren Aufenthalt in Bolivien. 

Die Kinder der Hausaufgabenhilfe mit ihren BetreuerInnen

Was haben mich die Leute hierzulande mit großen Augen angeschaut, als sie hörten, dass ich mich nach der „Premiere“ nicht für den „normalen“ Weg Richtung Universität oder Ausbildung, sondern für ein anderes Abenteuer entschied.

Mitte August letzten Jahres konnte ich nämlich endlich meine Reise antreten und meinen Freiwilligendienst (unterstützt von Niños de la Tierra und dem Service National de la Jeunesse) in Tirani/Bolivien beginnen.

Blick von Tirani auf Cochabamba

Nachdem ich mich von meiner Familie und meinen Freunden verabschiedet hatte, hieß es: auf nach Cochabamba! Ich freute mich riesig auf meine kommende Zeit, aber natürlich machte ich mir dennoch meine Gedanken. Wie wird es wohl da sein? Was erwartet mich vor Ort? Werde ich mich gut zurechtfinden? Werde ich mich gut mit meinen Mitbewohnern verstehen?
Schon bei meiner Ankunft verschwanden diese Gedanken ziemlich schnell, ich hatte auch nicht wirklich Zeit, mir Sorgen zu machen, denn es war alles so überwältigend. Der viele Verkehr und Lärm von Cochabamba, die verschiedensten Gerüche, viele Leute, usw. Es war beeindruckend!

In Tirani, einem kleinen Dorf oberhalb von Cochabamba, wo sich auch das Projekt befindet, wohnte ich mit 2 andern Freiwilligen zusammen und dort arbeiteten wir auch zusammen. Wir wurden nach einer gewissen Zeit Teil dieser Dorfgemeinschaft, da jeder die Freiwilligen kennt, auch wenn wir längst nicht alle kannten. Uns war bald bewusst, dass in manchen Familien Gewalt herrscht, wir wussten Bescheid über die Alkoholprobleme der Eltern und über das schlechte Bildungs- und Gesundheitssystem. Die Kinder werden öfters vernachlässigt, deshalb ist es umso wichtiger, dass sie im Kindergarten sowie in der Hausaufgabenbetreuung ihre Kindheit ausleben können und mit viel Liebe respektiert und behandelt werden.

Morgens arbeitete ich im Kindergarten „Ch’askalla“ wo ich mit Tia Juana die Klasse mit den 2 bis 3-jährigen betreute. Mit ihr zusammen hatte ich die Chance, den Kindern viele neue Dinge beizubringen, wie zum Beispiel auf Zehenspitzen zu gehen, mit der Schere schneiden zu lernen, bis 10 zu zählen und vieles mehr. Es war eine Arbeit, die mir sehr viel Spaß machte, ich gewann schon nach ein paar Tagen das Vertrauen der kleinen Kinder, die mich immer mit einem lauten „Hallo“! empfingen, so wie auch das Vertrauen der Erzieherinnen. Die Kindergärtnerinnen sind alle aus Tirani und haben ein großes Bewusstsein, wie wichtig es ist, diese Kindergartenkinder mit der richtigen Art und Weise auszubilden und zu erziehen. Sie unterstreichen alle nochmal die Wichtigkeit dieses Projektes! Sie wissen allesamt, wie sie die Kinder unterhalten sollen, finden immer neue interessante Beschäftigungen und kümmern sich warmherzig um sie! Auch wenn nach der Schule zu Hause ihre eigenen Kindern sie erwarten, leisten sie alle eine tolle Arbeit!

Nachmittags arbeitete ich im Apoyo „Rijch’ariy“, wo ich den 8 bis 12-Jährigen bei den Hausaufgaben half. Mir kamen öfters die Hausaufgaben extrem nutzlos vor. Die Kinder mussten Zahlen von 1-500 aufschreiben oder einfach nur Texte abschreiben, aber nach einer Weile gewöhnte man sich auch daran. Man merkt, dass das Bildungssystem nicht das Beste ist. Kinder, die mittlerweile schon in der 3. Klasse sind, benutzen ihre Finger um 2 plus 2 zu rechnen und einige von ihnen haben große Schwierigkeiten beim Lernen. Ich fand es recht schwierig, bei solchen Fällen zu helfen, ich nahm jedoch jedes Mal die Herausforderung an und gab mein Bestes, um auch diesen Kindern grundlegende Sachen beizubringen. Aber nicht nur Hausaufgaben erledigten wir zusammen, wir spielten gemeinsam draußen Fußball oder Volleyball, wir kümmerten uns um unseren Garten indem wir Unkraut rupften oder wir schauten uns als Abschluss des Tages zusammen einen Film an. Die Arbeit war also sehr abwechslungsreich. Auch die Arbeit im Apoyo gefiel mir sehr! Die Kinder waren alle liebevoll, sie hatten ziemlich viel Energie und lachten oft und gerne.

In der Sommerpause waren der Kindergarten und die Hausaufgabenhilfe geschlossen, da nutzten wir Freiwillige diese Zeit, um den neuen Kindergarten in Taquina Chico (Nachbarort von Tirani) und auch unseren Apoyo mit mehr Leben zu erfüllen. Wir durften nämlich die äußeren Wände der beiden Gebäude anstreichen und mit kinderfreundlichen Bildern bemalen. Auch diese Arbeit hat mir sehr viel Spaß gemacht und ich muss gestehen, ich bin sehr stolz darauf, wie die beiden Gebäude schlussendlich aussehen.

Aber auch konnte ich während dieser freien Zeit die verschiedensten Landschaften Bolivien entdecken. Im Südwesten von Bolivien entdeckte ich zum Beispiel die größte Salzwüste der Welt – Salar de Uyuni – , im Tiefland von Bolivien, in Rurrenabaque befand ich mich mitten in den großen Regenwäldern, in den Anden bestaunte ich den höchstgelegenen See der Welt – Titicacasee – und in La Paz blieb mir nach paar Schritten auf 3.600 m Höhe die Luft weg. In Bolivien kann man einiges entdecken und die verschiedensten Landschaften sehen.

Meine Reisen in die beiden Nachbarländer (Peru und Chile) zeigten mir wie sehr die indigene Kultur noch in Bolivien vorhanden ist. Ebenso ist mir aufgefallen, dass das Land seinen Nachbarländern in seiner Entwicklung hinterherhinkt. Das Projekt in Tirani hat mir bewiesen, dass die Entwicklungshilfen enorm wichtig sind und den Einwohnern Hoffnung auf eine bessere Zukunft geben. Eine Entwicklungshilfe, in der auch die Einheimischen Hoffnung und Mut gewinnen und sich bemühen und mitarbeiten. Die Arbeitsgruppe in Tirani leistet eine ausgezeichnete Arbeit und ich bin froh, für eine gewisse Zeit dabei gewesen zu sein!
Ich freute mich schon riesig auf die nächsten Monate, die Erzieherinnen und wir die Freiwilligen hatten schon einiges geplant. „Día de la Familia“ und noch weitere Feste sollten groß zusammen gefeiert werden, im Kindergarten hätte ich mit älteren Kindern zusammengearbeitet, was mir erlaubt hätte, etwas anspruchsvollere Aktivitäten mit ihnen machen zu können, nur leider kam es anders. Durch die aktuelle Situation, die Covid-19-Pandemie musste ich meinen Freiwilligendienst frühzeitig beenden und nach Hause fliegen.

 

Mittlerweile sitze ich schon seit 6 Wochen mit tollen Erfahrungen und unvergesslichen Erlebnissen hier zu Hause und kann gar nicht mehr aufhören von meiner 8-monatigen Zeit in Bolivien zu schwärmen. Etwas steht fest: Ich fliege definitiv nochmal zurück, um meine bolivianischen Freunde wiedersehen zu können und „meine“ Kinder aus Tirani wieder in die Arme schließen zu können!!

Es war eine Zeit, die ich nie vergessen werde und für die ich sehr dankbar bin!

Salar de Uyuni

David Hoffmann

eisen neie Volontär am Chile

Den 2. August ass den David fir e Volontariat vun engem Joer an der Konscht- a Museksschoul „Escuela Popular de Artes“ zu Viña del Mar am Chile opgebrach.

Hei e puer vun sengen éischten Impressiounen:
… Am Haus wou ech wunnen, ass alles cool (och am wuertwiertlechen Sënn), et ass schwäikal!! Mee mat Schlofsak a Fleece ass dat alles kee Problem. D’Señora Carmen ass super fein an kacht saugudd.
Ech war elo scho fir d‘zweet an der wöchentlecher Reunioun vun der „Equipo“.
Moies prouwen ech oft fir mech selwer oder schaffen um Austausch-Projet. Ech këmmere mech och drëm, d‘Schüler e bëssi op d‘Rees virzebereeden, hinnen nach e bëssi Basis Englesch bäizebréngen.
Mëttes, da ginn ech, wann d‘Percussiouns-Coursen sinn, an déi kucken an dat leeft oft dann dorop eraus, dass mir zu zwee dee Cours halen an ech déi Saache ka bäisteieren, déi ech sou weess. Dat ass e sauflotten Austausch, well déi meescht Proffen hei, si fantastesch Museker an hunn een enormt Wëssen.
Ech hunn och elo schon 3 Pianosschüler an zwee Percussionisten. Ech plangen och nach, eng Band ze grënnen an soubal d‘Schüler prett sin, och en Ensemble mat Marimba.
Wat sou extern Aktivitéiten ugeet, huet den Alexis mech schon op wierklech vill Saache matgeholl. Ech konnt schon e Batteur an enger Profi-Bigband zu Valparaiso ersetzen, a bis elo all Freiden op der Jam Session hei am Centre Culturel spillen.
…Musek ass einfach dee schnellsten Moyen fir Leit kennenzeléieren, et ass wierklech verréckt.
Also am Resumé, mir geet et gutt!! Mol kucke wat nach sou kënnt!

Op mengem Blog https://vinadelmar.blog kënnt dir noliesen, wat et hei esou Neies gëtt.

David

Bolivianesch Impressiounen

D‘Claire Zimmer vu Beetebuerg ass elo zanter August 2015 als fräiwëlleg Kooperantin vun Niños de la Tierra an der Crêche Ch‘askalla vun der Fundación Cristo Vive Bolivia zu Tirani, engem Viruert vu Cochabamba a Bolivien.
An dësem Artikel deelt hatt eis seng Impressiounen iwwer Land a Leit mat:

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„Wat méchs du dann a Bolivien?“ hunn e puer Leit mech gefrot, nodeems ech mech decidéiert hat, während engem Joer e Volontariat (ënnerstëtzt vun Niños de la Tierra a vum Service National de la Jeunesse ) an engem klengen Duerf bei Cochabamba ze maachen. Bolivien – Aarmut, Coca, Evo. Wahrscheinlech associéieren déi meescht Europäer spontan dës dräi Wieder direkt mat dësem Land am Zentrum vu Südamerika an ech wëll net soen, dass ech net zu deene gehéiert hunn. No deene 6 Méint, déi ech elo hei sinn, hunn ech schonn esou vill Verschiddenes a Spannendes erlieft – e Land voller intensiver Gerëcher, ob an der Natur oder um Maart, vill Iessen, chaotesch Busfahrten a rabbelege Camionnetten, de Chauffer en décke Bak voller Coca an déi bolivianesch traditionell Musik, déi aus de Lautsprecheren dröhnt. E Land mat villen Extremer, vum Opbau vun der Gesellschaft bis zum Klima. Ech erzielen iech elo vun deem Bolivien, sou wéi ech et erliewen, a vun deem, wat d’Leit mir erzielen.

Ugefaangen huet et scho viru méi wéi 6000 Joer, säit deem et scho verschidde Vëlker um haitegen Terrain vu Bolivien gouf. Déi eis wuel bekannteste Kultur sinn d’Inkaen, déi am 15. Joerhonnert am haitege Peru a Bolivien hiert Räich expandéiert hunn. Dobäi huet et sech schonn ëm eng immens räich an entwéckelt Kultur gehandelt, déi ënnert anerem ganz spirituell a friddfäerdeg war. D’Ruine vun den Inkaen, wou vill spirituell Zeremonie gefeiert gi sinn, sinn ëmmer op Plazen, déi vun hirer natierlecher Schéinheet eng magesch Unzéiungskraaft an eng meditativ Stëmmung op de Mënsch hunn. Woubäi Bolivien och haut nach eng enorm Diversitéit u Landschaft, Klima, Flora a Fauna bitt. Am Osten fënnt een am Summer (elo) keng Plaz wou et engem net ze waarm ass, awer, par contre, zu La Paz (850 km wäit ewech) ëm déi selwecht Zäit muss een eng Mutz an e Schal apaken. Mat enger Landfläch vun 1.098.580 km² bitt Bolivien, wat d’Ëmwelt ugeet, eng vun deene gréissten Diversitéiten vum latäinamerikanesche Kontinent (z.B. 1415 Villecherszorten; 5000 Planzenzorten). Am Südweste vu Bolivien kann een d’Salzwüst (Salar de Uyuni) a bis an de Süden eng Art Sandwüst (Sololi) besichen. Duerch bal de ganze Westen zitt sech eng Gebiergsketten (Altiplano) déi op verschiddene Plaze méi wéi 6000 m erreecht (La Paz: 3660m); Spëtzt Illimani (Bierg bei La Paz): 6402m; Titicacaséi (héichste Séi vun der Welt): 3808 m. An dëser Géigend ass d’Loft immens dréchen, am Dag ass et waarm (bis zu 25°C) an owes richteg kal. Dat anert Extrem sinn dann déi méi tropesch Gebitter am Norden an am Osten. Hei an den Urwaldzonen ass eng immens héich Loftfiichtegkeet an et kënne bis zu 40°C am Dag ginn.

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Wann een des immens vill verschidden a wonnerschéi Landschaften (et gëtt keng Foto déi dat richtegt Gefill vermëttele kann) erlieft, kann ee verstoen, firwat d’Inkaen an aner Kulturen sech hei niddergelooss hunn. Iwwerreschter dovun ënner Form vu Ruinen, de Sproochen (z.B. Quechua an Aymará) an den Traditiounen (z.B. d’Veréierung vun der Mutter Erde „pachamama“) fënnt een nach ëmmer iwwerall. Haut liewen nach 36 indigen unerkannte Gruppen a Bolivien, dovun 25% Aymará an 30% Quechua, déi hier eege Sproochen, eege Ritualen a virun allem Stëfter hunn. E groussen Afloss haten awer och d’Spuenier (ukomm am 16. Joerhonnert) an dëse Géigenden an d’Spueren dovunner sinn och nach bis haut siichtbar (Kolonialstil an der Architektur, Chrëschtentum, Sprooch). Besonnesch an de Stied wei Sucre, Santa Cruz a Potosí fënnt een am Zentrum wonnerschéi Gebaier am Kolonialstil, déi quasi de ganze Charme vun de Stied ausmaachen. Potosí war zu där Zäit déi räichste Stad vun der Welt, well do aus dem Cerro Rico immens vill Sëlwer extraéiert ginn ass. D’Indios si vun de Spuenier zu schreckleche Konditiounen an de Minne versklaavt ginn (4 Méint an de Minne liewen, 14 Stonnen den Dag schaffen, gëftege Stoffer ausgesat sinn,…). Duerch déi enorm schlecht Konditiounen an d‘Krankheeten, déi d’Spuenier matbruecht hunn, sinn immens vill Indios gestuerwen, sou dass ee vun engem Vëlkermord schwätze kann. Fir d’Geschäft nach méi rentabel ze maachen, hunn d’Konquistadoren dunn och nach Sklaven aus Afrika komme gelooss, wouduerch et zum Beispill an den traditionellen Dänz och afrikanesch Aflëss ginn.

Ufank vum 19. Joerhonnert hunn d’Onofhängegkeetskämpf ugefaangen, nodeems d’Indios de Wand vun der franséischer Revolutioun an der Fräiheet och mat kruten. Déi éischt Kämpf hunn a Bolivien ugefaangen, woubäi et dat Land war, dat als läscht onofhängeg ginn ass. D’Land ass nom Kämpfer Bolivar benannt an d’Haaptstad nom Sucre, déi och allen zwee no der Onofhängegkeetserklärung 1825 déi éischt Presidente waren. An der Casa de la Libertad zu Sucre läit d’Onofhängegkeetserklärung – e grousse Patriotismus ass an dësem Musée ze spieren, wat mengen ech, no deene grausame Joere gutt ze verstoen ass. Aus deem Grond ass Sucre och d’Haaptstad vu Bolivien a net La Paz (Regierungssëtz a gréisste Stad aus Bolivien).

DSC_0109 AnneSäit 2005 ass den Evo Morales Ayma (Sozialist – MAS) éischten indigene Präsident vu Bolivien. Am Ufank ganz beléift, well en aus enger Cocabauerfamill kënnt a President vun der Gewerkschaft vun de Cocabauere war, woubäi seng Popularitéit iwwert d’Joeren ëmmer méi ofhëlt. Setzt en sech souwäit fir déi Aarm an, dass en deene Räichen ze vill ewech hëllt? Entsteet doduerch eng Rivalitéit beim Vollek wat kontradiktoresch zu sengem Slogan „La unidad es el cambio“ ass? Kuerbelt en den Drogebusiness a Bolivien un? Stellt en sech géint déi westlech Welt op? Investéiert en net genuch an Educatioun a Gesondheet? Notzt en déi immens Ressourcen (z.B. Lithium) fir déi bolivianesch Economie unzekuerbelen? Probéiert en nëmmen all Muecht u sech ze räissen? Ech loossen des Aussoen, déi mat méi oder manner Sachwëssen an deementspriechenden Emotiounen vun de Leit dobausse behaapt ginn, mol als Froen stoen, well ech net weess, wat richteg oder falsch ass.

A propos Coca – den Evo setzt sech jo och dofir an, Coca net nëmmen a Bolivien ze legaliséieren – gëtt et och iwwer dëst Thema eng ganz kontrovers Diskussioun. Et gi Beweiser, dass Coca scho säit 4500 Joeren ugebaut ginn ass a fir de President fält Coca ënnert de Patrimoine vu Bolivien an d’andinesch Kultur. Eng Planz, déi säit éiweg eng enorm Roll bei spirituellen Zeremonien spillt, d’Verbindung tëschent eiser Welt an der Welt vun den Doudegen hierstellt, Aarbechter déi schwéier schaffen d’Liewen méi einfach mécht, Middegkeets- an Hongergefill ënnerdréckt a géint d’Héichtekrankheet an den Anden wierkt, ass awer leider och d’Basisprodukt fir Kokain ze produzéieren. Am 20. Joerhonnert si vun den Amerikaner immens vill Cocafelder zerstéiert ginn mam Virwand, dat wier de Grond firwat d’Bolivianer sou aarm wieren – interessant wéi hei déi verschidde Kulturen sou ënnerschiddlech Vuen op déi eng Planz werfen.

Wat d’Aarmut vun de Leit ugeet, sou ass déi bolivianesch Gesellschaft gréisstendeels an zwou Schichten ënnerdeelt: déi Aarm an déi Räich. Woubäi déi Aarm oft Baueren aus dem Héichland sinn an déi räich Nokomme vun de Spuenier, déi éischter an de Stied liewen. Dat bréngt mat sech, dass, sou traureg wéi et och kléngt, een dat oft schonn un der Hautfaarf erkenne kann. Vill Leit liewen hei ënnert (fir eis)

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onviirstellbare Konditiounen: een Zëmmer fir eng ganz Famill (woubäi hei eng Famill aus Grousselteren, Tattaen, Kusinnen asw. besteet), oft deelen sech zwou Famillen d‘Kichen an d‘Buedzëmmer, fléissend Waasser gëtt et nëmmen e puer Stonnen am Dag asw. Natierlech kann een elo soen, soulaang dës Mënschen net erhéngeren oder u Keelt stierwen, kann een net vun enormer Aarmut schwätzen wéi a villen afrikanesche Länner. Fir mech ass déi materiell Aarmut och net dat Schlëmmst hei, mee éischter déi séilesch oder psychesch Aarmut kéint een et villäicht nennen. Vill Kanner kréien doheem mat, dass hier Elteren Alkohol- an Drogeproblemer hunn a mussen sech heiansdo scho ganz jonk ëm hier Geschwëster këmmeren. Dat ass eppes, wat een de Leit net ofgesäit, mee réischt gewuer gëtt, wann een hier Geschichten héiert. Menger Meenung no kënnt een do als Tourist net drun an dofir huet ee villäicht en éischten Androck, dass Bolivien net esou aarm ass, wei verschidde Länner an Afrika. Déi aner Schicht vun deene Räichen liewen oft am iwwerdriwwene Luxus a weisen dat och gären – eng Mëttelschicht gëtt et net sou richteg.

Fir dat schwéiert Liewen ze vergiessen, freeën d’Bolivianer sech op all Fest (et gëtt hei fir alles eng Geleeënheet ze feieren: Día del niño, Día del mar, Día del maestro, asw). Si bereeden dës Fester mat groussem Opwand vir. Wichteg aner Fester sinn d’Daf, de 15-järege Gebuertsdag an d’Hochzäit. Fir dës Fester gëtt oft e Prêt opgeholl fir de Gäscht nëmmen dat Bescht ze bidden an – deemno wéi – iwwer e puer Deeg ze feieren. Dobäi ass et immens wichteg, wéi e soziale Status een duerch esou e Fest kréie kann. Beim Feiere spillen den Danz an d’Musik och eng ganz wichteg Roll. Fir déi traditionell Dänz (z.B. Tinku, Caporales, Morenada, asw.) ginn immens schéin an deier Kostümer kaaft a Parade vu méi wéi 4

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Stonne gemaach, fir verschidde Jongfraen (virgen) ze éieren. Dës Dänz hunn Aflëss aus der Pre Inka- an Inkazäit, vun de Spuenier an den afrikanesche Sklaven. Karneval, Fester a Paraden sinn Erliefnisser voller Freed, Faarwen a gudder Stëmmung, a leider zum Schluss heiansdo e bëssen ze vill Alkohol.

Wéi dir gesitt, ass Bolivien e geniaalt spannend Land mat ville Kontraster – schwéier an een eenzegen Tirang anzeuerdnen…

Abrazos de Bolivia

Clarita
P.S. Wann der nach méi wëllt gewuer ginn, kënnt dir op mengem Blog kucken:
annayclaraencocha.wordpress.com

Fotoen: Anne Speltz

Mein Bolivien-Bericht

Claire Zimmer Cochabamba/Bolivia 2015/2016
Seit 5 Monaten bin ich nun ungefähr zurück aus Bolivien. Es ist schön wieder hier zu sein und besonders an Weihnachten habe ich unsere Traditionen, die Stimmung und vor allem die Zeit mit meiner Familie sehr genossen. Ich denke aber auch gerne an Bolivien zurück und freue mich über jede Nachricht aus Tirani, ob von den Direktorinnen, den Erzieherinnen oder den Kindern selbst. Was mich aber auch oft wieder gedanklich zurückreisen lässt, sind meine Erzählungen. Besonders die ältere Generation stellt viele Fragen über das Leben in Bolivien, die gesellschaftliche Situation, die Kultur, das Essen,…und die meisten fragen: Es war doch bestimmt eine super Erfahrung?! Allerdings war es das. Nun würde ich auch gerne hier ein paar Dinge erzählen, die mich (auch nach meiner Heimreise) beschäftigt haben.
Ein wichtiger und interessanter Punkt dieses Jahres war auf jeden Fall die Arbeit. Während des ersten Halbjahres habe ich vor allem viel beobachtet mit dem Ziel, das Funktionieren dieser Einrichtung zu verstehen und mich sinnvoll einbringen zu können. Schnell bekam ich jedoch den Drang, selbst Initiative zu ergreifen und aktiver zu werden. Nach Absprache mit den beiden Direktorinnen, habe ich während des zweiten Halbjahres regelmäßig Aktivitäten mit den Kindern geplant und zeitweise alleine Gruppen geleitet. Außerdem gaben die Direktorinnen mir mehr Verantwortung, was mich freute und mir Spaß machte. Immer wieder wurde ich jedoch mit Dingen konfrontiert, die mich viel zum Nachdenken brachten und mir Schwierigkeiten bereiteten. Es fiel mir immer wieder schwer, die Arbeit einzelner Erzieherinnen zu akzeptieren, obwohl mir auch immer wieder bewusst wurde, dass meine Art zu unterrichten mit meinen Überzeugungen enorm stark von meiner Ausbildung und Erziehung in Luxemburg beeinflusst sind. Niedrige Motivation, wenig Verantwortung für die Erziehung der Kinder zu übernehmen, wenig Disziplin, keine besonders gute Ausbildung und andere pädagogische Differenzen machten mir manchmal zu schaffen. Oft dachte ich aber auch, dass ich durch diese viel gelernt habe und mich weiterentwickelt habe. Vor allem habe ich auch eine sehr schöne und intensive Zeit mit den Kindern verbracht und hatte zum Schluss das Gefühl, sie ein kleines Stück auf ihrem Weg begleitet zu haben.
Neben der Arbeit hatte ich viel Freizeit und auffällig viel Zeit „nichts“ zu machen, was ich sehr genossen habe. Wir unternahmen viel zusammen mit meinen WG-Mitbewohnern: viele Filmabende, Sonntagsessen, Kaffee trinken in der Stadt, stundenlange Gespräche, usw. Durch dieses Zusammenleben ist eine große Freundschaft entstanden, die für mich sehr wichtig geworden ist und mich in meinem Jahr viel unterstützt hat. Außerdem habe ich auch viel mit den Freiwilligen in Quillacollo unternommen, insbesondere mit meiner Landesgenossin Anne. Ich sehnte mich oft danach die Wochenenden im Vorstadtteil von Cochabamba, der immer sehr lebendig im Vergleich zu dem ruhigen Tirani war, zu verbringen. Oft wurden wir aber auch zu Familienfesten von unseren bolivianischen Arbeitskollegen eingeladen. Es war sehr schön, die wunderbaren und mit viel Aufwand verbundenen Feste mitzufeiern und irgendwie ein Teil der Familien zu werden, von denen wir nach und nach immer mehr Mitglieder kennenlernten. Die eigene Familie und Freunde zu Besuch zu haben, war ebenfalls eine für mich sehr reiche und schöne Erfahrung. Meiner Familie und meinen Freunden von zu Hause meine neue Welt vorzustellen und sie dafür zu begeistern, war mir besonders wichtig und auch nach meiner Heimreise Personen zu haben, die mich gut verstanden, wenn ich was erzählte und sich es bildlich vorstellen konnten.

Die viele Zeit, die in Bolivien viel langsamer vergeht, und der komplett neue Kontext regten mich zu viel Selbstreflexion an. Ich lernte mich selbst noch besser kennen und konnte mich in mehr oder weniger extremen Situationen besser einschätzen und dann entsprechend reagieren.
Ich habe jeden Morgen vor der Arbeit eine Reihe von aneinandergereihten Ritualen durchgeführt, wo auch die Meditation dazu gehörte. Dadurch konnte ich verschiedene Dinge bewusster, ruhiger und disziplinierter erleben und die Liebe zum Detail und zur Einfachheit entdecken.
Durch meine Selbstreflexion gelang es mir auch viel über menschliche Interaktionen zu lernen. Der Umgang mit Menschen, die in einem ganz anderen Kontext aufgewachsen sind und leben, erweiterte meine eigenen Fähigkeiten, was Kommunikation, Empathie, Verständnis, Geduld und Zuhören betrifft. Dies ist für mich, glaube ich, das größte „aprendizaje“ meines Jahres.

Während meiner Zeit in Bolivien, aber auch nach der Rückkehr hat mich ein Thema noch besonders beschäftigt. Es geht um meine Heimat: Was ist meine Heimat? Und was macht sie aus? Ich habe gemerkt, dass Luxemburg für mich ganz eindeutig meine Heimat ist und dass ich sehr stolz auf dieses Land bin. Das mag so manchen vielleicht sehr patriotisch klingen. Mich hat aber besonders interessiert, was Luxemburg (rational gesehen ist es einfach nur ein Stück Land, das abgegrenzt ist) für mich zu meiner Heimat macht und das sind einfach die Personen, die dort leben, die mich glücklich machen, mit denen ich Schönes erlebt habe an diesen unterschiedlichen Orten im Land, mit denen ich viel teile und mich dadurch sehr wohl fühle. Es ist total schön in seine Heimat zurück zu kommen und zu wissen, dass es für mich immer meine Heimat sein wird.
Schlussfolgernd denke ich, dass ich viel gewachsen bin und auch besonders dadurch, weil ich mit meinen 23 Jahren schon in vielen Dingen gefestigt war. Darüber hinaus habe ich sehr tiefe Freundschaften geschlossen und sehe dieses Jahr als ein Teil meines Lebens, an den ich gerne zurück denke und womit ich unbedingt irgendwie in Kontakt bleiben möchte.

Schon fast ein Jahr in Cusco, Peru

Eindrücke unserer Freiwilligen Tonie Schweich

Seit August 2014 bin ich jetzt bereits in Cusco, Peru und absolviere mein freiwilliges soziales Jahr im Frauenhaus der Fundación Cristo Vive Peru.
Das Frauenhaus nimmt Mütter und Kinder auf, welche der häuslichen Gewalt zum Opfer gefallen sind. Die Frauen sehen oft keinen Ausweg, sind alleine, ohne Ausbildung, Arbeit oder Hoffnung. In den meisten Fällen sind sie abhängig von ihren Männern und sehen keine Chance, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Ihn sogar zu verlassen, wenn er gewalttätig wird, um sich und ihre Kinder zu schützen, ist für sie schier undenkbar.
Die Fundación will mit ihrem Projekt diesen Problemen entgegenwirken.
Im Frauenhaus bekommen die Mütter ein Dach über dem Kopf und drei warme Mahlzeiten am Tag geboten. Außerdem werden sie sowohl juristisch wie auch psychologisch unterstützt. Die Mitarbeiter des Frauenhauses verhelfen ihnen zu einer Arbeit oder einer Ausbildung und unterstützen die Mütter in der Kinderbetreuung.
Ich unterstütze die Mitarbeiter in den unterschiedlichsten Bereichen: Tagesgestaltung, Kinderbetreuung, Gesundheitsbetreuung, Therapien, Aktivitäten innerhalb sowie außerhalb des Frauenhauses.
Wir versuchen, sooft es geht, die Mütter und Kinder ihrem Alltag zu entziehen, mit ihnen Ausflüge zu organisieren, aufs Land zu fahren, ihre Sorgen und Erlebnisse für einige Momente vergessen zu lassen.
In Cusco ist es leicht, dem Alltag und dem Stadtrummel zu entfliehen, da die Stadt von Bergen und schönen Landschaften umgeben ist.
Ein Spaziergang mit allen Müttern zusammen mit ihren Kindern zum „Templo de la Luna“, in welchem alle ihre Sorgen ablegen sollten, mit anschließendem Picknick in den Bergen bringt alle zum Lächeln. Ein Ausdruck, welcher nicht immer alltäglich ist.

Ein Ausflug in den Zoo, welcher mit Hilfe der Spenden von der Weihnachtsfeier ermöglicht wurde, ist für alle etwas ganz Neues. Viele waren noch nie im Zoo; auch haben sie kaum regelmäßig etwas zusammen mit ihren Kindern unternommen.
Ein anschließendes Fußballspiel unter den Müttern hat sie gelehrt, zusammenzuhalten und gezeigt dass keine von ihnen alleine ist. Sie hatten alle ihren Spaß, Bewegung und haben vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben etwas zum Wohlergehen ihrer selbst getan.

Das Aufhängen einer Schaukel, war eine ganz neue Erfahrung für die Kinder. Viele von ihnen saßen noch nie in ihrem Leben auf einer Schaukel. Die einfachsten Dinge, welche selbstverständlich scheinen, zaubern diesen Kindern ein Lächeln aufs Gesicht und verhelfen ihnen zu einem Nachmittag wie er normaler nicht sein könnte.
Die Fundación ist außerdem dabei, eine Bäckerei zu eröffnen und den Müttern beizubringen, Brot und andere Leckereien zuzubereiten. Ein paarmal die Woche backen wir gemeinsam mit den Müttern Brot und verkaufen dies am Wochenende an einem Stand auf dem Markt. Später soll der Verkauf vom Frauenhaus aus ermöglicht werden.
Die unterschiedlichen Aktivitäten, der Zusammenhalt, die Freundschaften unter den Frauen und natürlich die juristische und psychologische Unterstützung verhelfen den Frauen auch nach ihrem Aufenthalt im Frauenhaus zu neuem Selbstvertrauen auf einem neuen Weg, in Selbständigkeit und weg von der Gewalt.

Zwei Schicksale unter vielen

Ich habe während meines Freiwilligendienstes 2014-2015 einige der Frauen aus der „Casita“, dem Frauenhaus in Cusco, über ihr Lebensschickal befragt. Ich habe die Berichte aufgeschrieben und ins Deutsche übersetzt:


Karina, eine 26-jährige Mutter, aus dem Bezirk von Cacapacmarca, eine Provinz von Chumbivilcas, Cusco hat zwei Söhne: Tony 6 Jahre alt und Kevin, 4 Jahre.
Sie erzählt ihre Lebensgeschichte:
Als ich ein kleines Mädchen war, hat mein Vater uns verlassen, wir haben viel mit unserer Mutter gelitten, es gab Tage an denen wir nichts zu essen hatten, doch in unserer Armut brachte sie uns alle durch.
Als ich 13 Jahre alt war, auf dem Nachhauseweg der Schule, ein Fußweg von drei Stunden, folgte mir ein Mann. Obwohl er Vater zweier Töchter war, missbrauchte und schwängerte er mich.
Damit niemand den Wachstum meines Bauchs bemerken würde, hab‘ ich mir einen Hüfthalter umgestrickt und bin weiterhin zur Schule gegangen. Nach 9 Monaten war dann die Geburt, das Baby wurde tot geboren, meine Eltern wussten nichts, meine Mutter hat sich fürchterlich über mich geärgert und wollte sich das Leben nehmen. Ich ging weiter zur Schule und meine Noten wurden schlechter, fiel durch 4 Kurse, traumatisiert wiederholte ich das Schuljahr.
Als ich 16 war, haben meine Eltern sich versöhnt und zogen wieder zusammen.
Mit 19 Jahren verliebte ich mich und zog mit meinem Partner zusammen; er ist der Vater meiner beiden Söhne. Das erste Jahr lebten wir glücklich zusammen, aber danach fing er an mich zu schlagen und schmiss mich aus seinem Haus, er beschimpfte mich wegen dem, was mir mit 13 Jahren widerfahren war, nannte mich eine Prostituierte, eine x-beliebige; seine Familie misshandelte mich und so lebten wir mit Problemen weiter, er schwängerte mich und nach 9 Monaten der Schwangerschaft bekam ich schwere Prügel.
Zwei Tage später wurde mein erster Sohn geboren, er roch unangenehm und sie schmissen mich aus dem Krankenhaus, ich war dem Tode nah. Später hat mein Lebenspartner mich in ein Haus gebracht, wo es weder Licht, Wasser noch ein Bad gab, er hatte keine Arbeit und wir mussten hungern.
Als mein Sohn ein Jahr alt war, ging mein Mann zum VRAE in die Drogen- und Terrorismus Zone, um zu arbeiten. Er ließ mir 100 Soles monatlich zum Leben. Ich musste meine Mutter anrufen und um finanzielle Unterstützung bitten.
Einmal war ich in der Küche, als seine Familienmitglieder eintraten und mich zusammenschlugen. Ich floh dann mit meinen Kindern an einen anderen Ort und ich zeigte meinen Mann wegen Gewalttätigkeit an. Er aber drohte mir, mich umzubringen, wenn ich nicht zu ihm zurückkehren würde, also folgte ich dem. Aber es war noch immer alles beim Alten, er schlug mich immer öfter. Ich fing an zu arbeiten und er schlug mich noch härter und das jetzt täglich und im Beisein meiner Söhne.
Der Jüngste, Kevin, holte eines Tages einen Stock und wollte seinen Vater schlagen. Der jedoch verpasste ihm eine Ohrfeige, dass er in die Zimmerecke flog.
Bei meiner Arbeit habe ich eine Freundin kennengelernt. Ich begleitete sie, um einen kostenlosen Anwalt zu suchen und so sind wir bei der Fundación Cristo Vive gelandet. Ich habe die Situation genutzt und mich mit der Anwältin unterhalten. Ich habe ihr alles erzählt und als sie mich fragte, ob ich ins Frauenhaus möchte, bejahte ich und sie begleitete mich nach Hause, meine Sachen packen und meine zwei Söhne abholen.
In der „Casita“, dem Frauenhaus, angekommen, fühlte ich mich anfangs unwohl.
Heute will ich nicht mehr zu meinem Lebenspartner zurückkehren und hab ihm bereits mitgeteilt, dass ich nichts weiter mit ihm zu tun haben will. In Beisein eines Mitarbeiters der Fundación konnte ich ihm die Stirn bieten. Hätte ich früher gewusst, dass es dieses Frauenhaus gibt, hätte ich mir nicht soviel Schläge gefallen lassen. Ich sagte mir: „Wenn er mich rausschmeißt, wo geh‘ ich hin, mit meinen Söhnen“ und hielt weiter durch, bis er mich fast umbrachte. Er hat mir Veilchen verpasst, dass ich mich schämte, weiter durch die Straßen zu laufen. Trotzdem ging ich weiterhin meiner Arbeit nach…
Karina

Como voluntaria en Bolivia

Als Freiwillige in Bolivien

Bericht unserer Freiwilligen Mélanie Braquet
in Tirani/Cochabamba von August 2013 bis August 2014

Drei Monate bin ich jetzt aus Bolivien zurück, ein Land das ein zweites Zuhause für mich geworden ist. In den elf Monaten, die ich dort verbracht habe, lernte ich dieses Land und seine Bewohner kennen, nicht als Kurzzeit-Touristin, sondern als Mitbewohnerin.

Als ich im August 2013 in Cochabamba ankam, war erstmal alles sehr überwältigend. Der viele Verkehr und Lärm, die vielen Leute, die einen alle kennenlernen wollten und das Zurechtfinden in der Stadt. Aber vor allem das seltsame Gefühl im Bauch, nämlich das Bewusstsein, dass ich hier jetzt ein ganz neues Leben für elf Monate anfangen würde. Den Empfang im Kindergarten am zweiten Tag werde ich niemals vergessen, die Erzieherinnen hatten ein breites Lächeln auf dem Gesicht und die Kinder aus dem Apoyo stürmten auf mich los, als würden wir uns schon lange kennen. Das seltsame Gefühl verschwand sehr schnell, der Kulturschock kam eigentlich erst ein Jahr später in Luxemburg.

Graffiti Cochabamba

Wandbild in Cochabamba

Das Projekt befindet sich in Tirani, eine kleine Gemeinschaft am Rande von Cochabamba. Dort laufen noch die Schweine und Hühner über die Straße, zu manchen Häusern führt nur ein kleiner Weg durch Wiesen, alles in allem hat es nichts mehr mit dem Stadtzentrum zu tun.

Tirani

Da ich mit den vier anderen Freiwilligen in einem kleinen Haus neben dem Kindergarten wohnte, wurden wir zu einem Teil von dieser Gemeinschaft. Jeder kannte die Freiwilligen, auch wenn wir längst nicht jeden kannten. So sahen wir auch, wie die Kinder lebten, die wir im Kindergarten betreuten. Wir wussten um die Gewalt, die in manchen Familien herrscht, den Mangel an Bildung und Arbeit, das schlechte Gesundheitssystem. Die Eltern sind noch jung, mussten die Schule abbrechen, um zu arbeiten und wissen selbst nicht, wie sie ihre Kinder erziehen sollen. Manche gehen im Alkohol unter und die Kinder leben völlig vernachlässigt vor sich hin. Deswegen ist es so überaus wichtig, dass sie im Kindergarten einen sauberen Ort finden, in dem sie versorgt werden und ihre Kindheit auch ausleben können.

Morgens arbeitete ich im Kindergarten „Ch’askalla“ und begleitete die Kleinen (im Alter von ab 12 Monaten)während einem Jahr. Ich sah, wie sie ihre ersten Schritte machten, das erste Mal selbst aßen und die ersten Wörter über ihre Lippen kamen.

Apoyo 3

Ich glaube, das war eine der schönsten Erfahrungen während diesem Jahr: zu sehen, wie diese kleinen Babys all diese Gesten lernten, die für uns Erwachsene schon längst so normal sind, ohne dass uns bewusst ist, dass man alles einmal erlernen musste. Vor allem aber vertrauten sie mir nach und nach, auch die Freundschaft zu den beiden Tías, den Kindergärtnerinnen, mit denen ich arbeitete, festigte sich während der langen Zeit. Überhaupt war das Personal sehr jung und fröhlich, es herrschte eine sehr angenehme Atmosphäre.

Tías

Die Kindergärtnerinnen kommen allesamt aus Tirani und unterstreichen somit das Vertrauen der Gemeinschaft in das Projekt. Die meisten haben schon einen Mann und Kinder, nach der anstrengenden Arbeit im Kindergarten geht es also genauso weiter zuhause. Trotzdem kümmern sie sich liebevoll, erfinden neue Aktivitäten und wissen immer, wie sie die Kleinen im Zaum halten.

Den Nachmittag verbrachte ich im Apoyo, auch *Centro Cultural“ genannt. Das erste halbe Jahr half ich den Erst- und Zweitklässlern bei ihren Hausaufgaben. Am Anfang kam uns ihre Art von Hausaufgaben ein bisschen nutzlos vor, dann gewöhnten wir uns daran. Größtenteils mussten sie nämlich nur Texte aus ihren Schulbüchern abschreiben oder Rechenaufgaben machen, obwohl die meisten noch die Finger nehmen mussten, um 2 plus 2 zu rechnen.

Apoyo 2

Ein Junge konnte auch trotz einem Jahr Schule das Alphabet noch nicht. Bei solchen Fällen war es für uns dann schwierig, ihnen zu helfen, denn um einem solch grundlegende Dinge beizubringen, fehlte uns die Erfahrung. Sogar beim Abschreiben musste man sich dann dazusetzen, damit die Hausaufgabe erledigt wurde. Aber natürlich war das nicht bei jedem der Fall… Als wir einmal die Lehrer in der Schule besuchten, um mit ihnen über die Fortschritte der Kinder zu reden, wurde uns vieles klar. Die Lehrer waren generell der Meinung, dass die Kinder die Schule eh nicht schaffen würden. Zu dieser Erfahrung kamen die Erzählungen der Kinder hinzu, die darin wetteiferten, welcher Lehrer am öftesten zuschlägt. Aber so oft wir uns auch über das bolivianische Schulsystem aufregten, die Arbeit im Apoyo gefiel mir doch sehr. Die Kinder waren sehr zutraulich, lachten viel und gerne.

Apoyo

Im zweiten Halbjahr bekam ich dann die Gelegenheit, den Gastronomieschülern der Berufsschule Sayarinapaj Französischunterricht zu geben. Dies sollte ihnen ermöglichen, später in einem internationalen Lokal zu arbeiten. Ein paar Tage nach dem unerwarteten Anruf des Direktors der Schule fing ich auch schon an und improvisierte vor einem Dutzend Schüler in meinem Alter. Obwohl es sich als schwierig erwies, ihnen eine neue Fremdsprache beizubringen, waren sie allesamt sehr motiviert und so freute ich mich jeden Montag darauf, das Projekt für einen Tag zu wechseln.

Als ich nach einem halben Jahr Chiles Hauptstadt Santiago besuchte, bekam ich den ersten Kulturschock. Ich hätte mich auch in einer europäischen Großstadt befinden können, so modern waren die Infrastrukturen und der Lebensstil der Chilenen. Erst als Schwester Karoline, die Gründerin der Fundación Cristo Vive, uns die sogenannten Slums der Stadt zeigte, kam die fürchterliche Armut dieses Landes zum Vorschein. Der Unterschied zwischen den sozialen Schichten ist dort noch viel größer als in Bolivien. Die Mittelschicht dagegen leidet nicht unter materieller Armut, doch auf den Bankkonten häufen sich die Schulden, um sich den amerikanisierten Lebensstandard leisten zu können.

Lima

Während meinen Reisen in den Nachbarländern wurde mir bewusst, dass Bolivien ein Einzelfall ist. Ein Einzelfall in dem Sinne, dass dort wie nirgends anderswo die indigene Kultur noch überall zu finden ist und der westliche Einfluss noch nicht überhandgenommen hat – aber auch, dass das Land in seiner Entwicklung seinen Nachbarn hinterherhinkt. Das Projekt in Tirani hat mir Hoffnung in die Entwicklungshilfe gegeben. In eine Entwicklungshilfe, die auf die Einheimischen vertraut und ihnen hilft, ihr eigenes Projekt aufzubauen. Das Equipo in Tirani macht eine wunderbare Arbeit und ich bin froh, dabei gewesen zu sein!
Mélanie Braquet

Mélanie

Ein Jahr in Chile


von Dorothée Franzen, unserer Kooperantin in Chile von September 2012 bis September 2013
„Jede Reise hat ihren Anlass und meiner hat mit Überdruß und jugendlichem Leichtsinn zu tun, mit dem Wunsch, aus den gewohnten Verhältnissen auszubrechen und das Leben und die Welt kennenzulernen.“
Die Stadt der träumenden Bücher, Walter Moers
Vor genau einem Jahr stand ich mit meinen vollgepackten Koffer am Flughafen und versuchte noch einen letzten Blick auf all die lieben Menschen zu erhaschen, die gekommen waren, um mich zu verabschieden. Ich weiß noch, wie schwer es mir fiel, die Gesichter richtig wahrzunehmen. Tausend Gedanken und Bilder rasten mir durch den Kopf. Hatte ich alles dabei? Würde ich das Flugzeug in Paris finden und wie war noch einmal das spanische Wort für „Mittagessen“? Und auf einmal saß ich auch schon im Flugzeug, ließ Luxemburg unter mir zurück und schaute zu, wie sich die Straßen, Häuser und Menschen, die bislang die Kulisse meines Lebens formten, zu Ameisenhaufen wurden, bis ich irgendwann nur noch in eine dichte Nebelwand blickte.
Ich war unterwegs nach Chile. Hinter diesen Wolken warteten ein neues Leben, neue Menschen und unendlich viele Erfahrungen. Ich konnte es kaum erwarten.
Es kommt mir vor, als wäre ich gestern losgeflogen, doch meine Anfangszeit, die ersten Wochen und Monate sind schon in meiner Erinnerung so weit nach hinten gerückt, als wären sie Jahre her. In Chile am Flughafen holte mich eine andere Freiwillige ab. Nach einer halsbrecherischen Fahrt über die chilenische Autobahn kamen wir in der EFPO an, dem Büro der Fundación. Dort lernte ich Helga, die gute Fee der Freiwilligen kennen, die mich mit offenen Armen aufnahm und bei der man sich nur wohlfühlen konnte.

Helga inmitten „ihrer“ Freiwilligen
Einen besseren Empfang als den, der mir durch Helga zuteil wurde, kann man sich nicht wünschen. Sie betreut schon seit Jahren die Freiwilligen und kümmert sich sowohl um unsere „Problemchen“ als auch um die ausgewachsenen Riesenbrummer, die einem das Leben zur Hölle machen und einen zur Verzweiflung treiben. Wir nennen sie liebevoll unsere „Oberfreiwillige“.
Nach einem kurzen Einführungsgespräch brachte sie mich in den Kindergarten, wo ich sofort anfing zu arbeiten. So lernte ich auch gleich meine erste Lektion: Du wirst gebraucht und die Menschen zählen auf dich. Jetlag und Reisemüdigkeit hinunterschluckend fing ich also an zu arbeiten.
Ich wurde der Gruppe der ältesten Kinder zugeteilt, den 5-jährigen. Meine kümmerliche 3-jährige Spanischausbildung, die mir im Gymnasium zuteil worden war, reichte anfangs kaum aus, um den Kindern das gegenseitige Erwürgen zu verbieten.

Meine Kindergruppe mit Educadora Cecilia und Tia Marianela
Hilflos musste ich immer wieder auf meine Mitfreiwilligen vertrauen, welche, da sie schon einige Zeit länger da waren, mehr Übung hatten. Doch schon nach ein paar Wochen merkte ich, wie ich mich immer besser verständigen konnte und mein Verdacht, dass eine Sprache, reduziert auf Bücher und Vokabeln, unmöglich zu erlernen ist, verstärkte sich.
Mehr noch als auf die Arbeit, war ich auf mein Haus und die WG gespannt. Aus vorherigem Facebook Kontakt mit meinen zukünftigen Mitbewohnern wusste ich, dass ich kein eigenes Zimmer haben würde. Hasste meine neue Zimmergenossin mich bereits, weil ich sie um ihr Einzelzimmer brachte? Hatte die WG schon einen festen Rhythmus, den ich als 5. Rad aus dem Gleichgewicht bringen würde und was, wenn ich die Einzige war, die nicht wusste, wie man Reis kocht ohne ihn anzubrennen zu lassen?
Auch hier waren meine Zweifel unbegründet. In Ava fand ich die beste Zimmergenossin, Freundin und Vertraute, die ich mir nur wünschen konnte. Teilt man ein Zimmer, gibt man auch noch den letzten Rest Privatsphäre auf, den man in einem so kleinen Haus wie unserem, hätte haben können.

Sonntagmorgen mit Karoline, Maruja und einigen Freiwilligen
Schnell bildeten wir ein Team und unsere langen Gespräche, die bis tief in die Nacht hinein dauerten, erschwerten so manchen Arbeitstag. Aber sie waren es wert. Lebt man so weit entfernt von allen Freunden und der ganzen Familie, braucht man die Menschen um sich herum. Man muss auf sie zählen können und Freunde zu haben, ist unabdinglich. Ava und ich wurden richtig gute Freunde, in dem ganzen Jahr tauschten wir die Zimmer nicht und brachen somit jeden Zimmergenossinnen-Rekord unter uns Freiwilligen.
Mit ihr, Ben und Desirée waren wir das Jahr hindurch ein Spitzen- Team. Wir stritten uns wie die Weltmeister. Vage erinnere ich mich daran, wie ich Töpfe durch die Küche schmiss oder Desirée und Ben Türen knallen ließen, was unser schon etwas betagtes Haus an den Rand des Zusammensturzes brachte. Aber im Großen und Ganzen war es eine gute Zeit und immer, wenn es darauf ankam, waren wir füreinander da und machten alle Krisen gemeinsam durch.

Die Siedlung rings um den Kindergarten „Naciente“
Die Arbeit war hart und das auf so viele Art und Weisen. Es war hart, jeden Tag eingepfercht in einem kleinen Raum zu sein und sich von 32 Kindern die Ohren vollbrüllen zu lassen. Es war hart, dir Lebensgeschichten von Eltern anzuhören und zu wissen, dass das Leben meiner Schützlinge genau so verlaufen kann, weil das System – oder einfach Pech – es nicht anders zulässt. Es war hart, jeden Tag alle Möbel und Tische raus- und wieder rein zu tragen, weil der Klassensaal nicht groß genug war…
Ich habe auch ganz sicher nicht jeden Tag genossen und manchmal wollte ich auch einfach nur im Bett liegen und einen Film schauen, doch nachträglich bin ich froh über mein Durchhaltevermögen.

Ich habe alle meine Schützlinge geliebt. In manchen Situationen gewiss weniger als in anderen, doch geliebt habe ich sie alle und es war wunderschön, dass ich jeden Tag bei ihnen sein durfte. Jetzt, nach so kurzer Zeit, vermisse ich sie immer noch wahnsinnig und lasse mir regelmäßig von den neuen Freiwilligen Fotos schicken. Mit den Kindern habe ich wieder gelernt, was es heißt, kleine Dinge wertzuschätzen, wie z.B. eine Puppe, gemacht aus einer Klopapierrolle. Ich habe mich für sie zum Affen gemacht und sie haben es mir mit ihrer Freundschaft und ihrem Vertrauen gedankt.

Feier zum Jahrestag der Gründung des Jardin Naciente: Die Kleinen haben Tänze vorgeführt und schwenken die Fahnen der Länder, welche den Kindergarten unterstützen
Die Menschen in Chile sind etwas Besonderes und ich ertappe mich immer wieder, wie ich hier in Europa nach dem lateinamerikanischen Temperament Ausschau halte. Kommt ein streunender Hund in die Kirche gelaufen, wird es als Gelegenheit genommen, mal wieder herzlich gemeinsam zu lachen und sogar der Pfarrer nimmt es mit Humor und lässt den frommen Neuankömmling unterm Altar der Messe beiwohnen.
Fragt man jemanden nach der Uhrzeit, kann es schon ab und zu mal vorkommen, dass die Gegenfrage kommt „Ist das denn wichtig?“ und wenn man um 01:00 morgens die unbändige Lust verspürt, seine Freunde zu besuchen, sollte man nur sicher stellen, genügend von dem guten chilenischen Wein mitzubringen und die Stimmung ist garantiert.
Ich habe in dem Jahr gelernt, meine Prioritäten neu zu ordnen. Mit meinen chilenischen Freunden ist mir wieder bewusst geworden, was Gemeinschaft wirklich bedeutet und wie unwichtig so manches ist, mit dem wir uns hier in Luxemburg den Kopf zerbrechen.
Man kann versuchen, es aufzuschreiben oder davon erzählen, aber wirklich nachvollziehen kann man es erst, wenn man es selber erlebt hat.
Für mich gibt es ein Davor und ein Danach. Es gibt ein „vor Chile“ und ein „nach Chile“. Es gibt mich, wie ich davor war und es gibt mich, wie ich jetzt bin. Manche Erlebnisse sind so einschneidend, dass sie deine Zeit teilen und Chile war ein solches Erlebnis.
Ich empfehle jedem, sich selbst auf die Reise zu machen und ein bisschen von der Welt und sich selbst zu sehen. Erst wenn man aus seinem Gemüsebeet rausgeht, kann man sehen, wie groß der Garten dahinter ist.
Dorothée Franzen