Ein Volksaufstand unter Ausgangssperre – Chile in Zeiten von Corona

von Anna Landherr, Jakob Graf, amerika21

Doch auch wenn die Straßen vorerst leer sind und Piñera provokativ ein Foto von sich selbst auf der Plaza Dignidad1, dem Symbol der Protestbewegung, twitterte, ist der Kampf der Chilenen noch nicht vorbei, er hat sich derzeit lediglich auf andere Bereiche verschoben. Die Pandemie könnte die Situation sogar noch eskalieren lassen, denn die Krise des Gesundheitssystems, private soziale Sicherungssysteme, prekäre Beschäftigung und soziale Ungleichheit spitzen sich nun dramatisch zu.

Grund dafür ist auch die Struktur des Staates, der in der Diktatur zum „Anti-Sozialstaat“ umgebaut wurde. Chilenische Sozialwissenschaftler nennen ihn den „Estado subsidiario“, der dem Markt nach Möglichkeit alle Wirtschafts- und Lebensbereiche überlässt und nur eingreift, wo der Markt versagt. Laut Emmanuel Farías Carrión und Juan José Moreno Figueras würden soziale Rechte somit zu Konsumgütern, deren Indienstnahme bezahlt werden müsse. Dies hat nicht nur zu der breit kritisierten und erheblichen Ungleichheit in Chile geführt, sondern auch dazu, dass der Staat in Krisenzeiten wie der jetzigen kaum noch handlungsfähig ist.

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